Adam GreenEngine Of Paradise
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Label:
30th Century
VÖ:
06.09.2019
Referenzen:
Scott Walker, Serge Gainsbourg, Beck, Father John Misty, Ben Kweller
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Autor: |
Jan Gerngross |
Wie viele andere erfuhr ich 2005 zum ersten Mal von Adam Green und seiner Musik. Es war meine Tante, welche meinen Eltern seine Werke empfahl, allen voran sein gerade erschienenes drittes Album „Gemstones“. Weder meine Eltern noch meine Tante waren damals an aktueller Popmusik interessiert, und doch hatte es dieser schrullige 24-jährige New Yorker geschafft, dass selbst fest im Leben stehende Mittelständler über ihn redeten und seine Musik begeistert hörten und er auch bei „TV Total“ ein gern gesehener Gast war. Für jemanden aus der New Yorker Antifolk-Szene ist es ein unfassbar weiter Weg in ein deutsches Wohnzimmer.
So schien das Ganze auch ein seltsamer Ausrutscher zu bleiben, der aber so gesehen sehr gut zu Greens Musik passt. Absurde Geschichten, mehr vom Himmel gefallen als ausgedacht, waren stets sein Markenzeichen; in den späteren Alben, die auch weniger mit sexuellen Schweinerein zu tun hatten, vielleicht noch mehr als bei seinen ersten Platten.
Aber schon seit langer Zeit sind Greens Nebenprojekte eigentlich schon interessanter als seine Musik – darunter das Video für Father John Mistys „Total Entertainment Forever“ oder ein Film mit Sky Ferreira, Macaulay Culkin und Pete Doherty, der komplett auf einem iPhone gedreht wurde. Zunehmend schien sich der ehemalige Klassenclown des Indie in überambitionierte Projekte und Gesamtkunstwerksfantasien zu stürzen, um diese dann mit absurd kleinem Budget und viel Pappmaschee umzusetzen.
Doch dann kam die Single „Freeze My Love“ und auch das „Gemstones“-Gefühl. Ein Song, der nicht nur moderne Alltagstechnologien anklagt, sondern auch wieder Streicher-Arrangements mitbringt, die die von 2005 sogar noch übertreffen dürften. Der vielleicht nicht mehr allzu lange unbekannte Jesse Kotansky zeigt sich für die fernöstlich inspirierten Streicher verantwortlich, die tatsächlich auf jedem der 9 Songs zu hören sind. Sie allein schon hätten das Album getragen ohne die typischen Adam-Green-Melodien, für die sich teilweise auch Produzent und Florence And The Machines Drummer Loren Humphrey loben lassen darf, und natürlich Greens charakteristische Bariton-Stimme.
Dass auch die Texte ihre Schlitzohrigkeit behalten haben, muss vielleicht gar nicht erst erwähnt werden, sie waren noch nie das Problem seiner Musik. Viel eher waren es die zeitgeschichtlichen Umstände: 2008 bis 2016 war eine Periode voller Umbrüche, Tragik und Katastrophen, die den Ironiker Green nicht gebraucht hat. Besser wurde es nach 2016 auch nicht, aber Green wandelte sich als Repräsentant einer anderen Zeit automatisch vom Zyniker zum Utopisten. Seine Welt ist gemütlich, absurd, verspielt und vor allem harmonisch, was auf „Engine Of Paradise“ vor allem dank vieler musikalischer Helfer perfekt aufgeht. Eine 22-minütige Erholungsinsel, bevor man wieder irgendetwas über den gelbhaarigen Mann mit dem orangenen Gesicht lesen muss. Adam Green wäre ein Vergleich mit einem fliegenden Teppich wahrscheinlich lieber. Aus Pappmaschee.