Alex CameronMiami Memory
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Label:
Secretly Canadian
VÖ:
13.09.2019
Referenzen:
Kirin J Callinan, Foxygen, Jackie Cohen, Billy Joel
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Autor: |
Jan Gerngross |
Alex Cameron – so normal und gewöhnlich dieser Name klingt, auf so ungewöhnlichem Boden steht seine Karriere: In der Öffentlichkeit trat Cameron zuerst als gescheiterter Entertainer auf, über dessen Vergangenheit man nur die Geschichten aus seinen Songs kannte. Das war 2013 das Konzept seines Debüts „Jumping The Shark“ und auch wenn er die Idee schon auf dem nächsten Album wieder aufgab, so blieb die Aura des höchst skurrilen Typen, dem man auch zutrauen würde, bis dato einfach nur Versicherungen verkauft oder in den Schweizer Bergen als Eremit gelebt zu haben. Ein alters- und vergangenheitsloser Sänger, der nach Belieben jede Rolle annehmen kann, die ihm gerade einfällt: Gauner, Charmeur, Indie-Musiker oder alternder Showstar.
Laut Cameron soll sein neuestes Album „Miami Memory“ nun eine Liebeserklärung an seine Freundin Jemima Kirke sein, ganz unironisch, ganz der echte Alex Cameron, der doch gar nicht zu existieren schien. Und dann bezieht Cameron auch noch ganz ernsthaft und glaubwürdig Position für die Rechte von Sexarbeiterinnen in „Far From Born Again“, ein Song, der als Soundtrack für Candice Breitz viel beachtete Videoinstallationen „TLDR“ sehr passend wäre. Folgt Alex Cameron hier der Mode seiner Zeit, in der sogar Taylor Swift auf einmal als Queer-Ikone gelten möchte? Oder versucht ein Künstler hier vor unseren Augen den Wandel ins ernsthafte Fach der gefühlvollen Popmusik?
Vielleicht wäre eine der beiden Möglichkeiten der Fall, wäre da nicht die ausgeklügelte Produktion von Foxygens Jonathan Rado, welcher es hervorragend versteht, die Zwischentöne zu finden, um die Musik weder übertrieben ernsthaft, noch zu unecht und zynisch klingen lassen. Das ist gewiss der Alex-Cameron-übliche 80er-Pop, doch diesmal ohne allzu eklige elektrische Gitarrensolos, die man auf „Forced Witness“ noch ab und an vorfinden konnte. Cameron darf in seiner bisherigen Rolle des Geschichtenerzählers bleiben und in dieser Rolle, die diesmal die des „echten“ Alex Cameron zu sein scheint, die Themen behandeln, die ihm derzeit wichtig sind. Das sind sehr viele Ebenen und diese zusammenzuhalten, gelingt einzig durch die Musik, welche so gut arrangiert ist, dass man sie nicht wie zuvor als bloße Ironie abtun kann.
So erzählt Cameron von seinen Erfahrungen als „Stepdad“ der Kinder seiner Freundin, vom Sex mit seiner Freundin („Miami Memory“), von gescheiterten Männerbildern („Bad For The Boys“) und inniger Vertrautheit, innerhalb derer er getrost auf Political Correctness verzichten kann („PC With Me“).
Das Konzept des Albums ist also klar, die Musik ist gut und Alex Cameron liebt Jemima Kirke. Und nun? Das ist vielleicht die größte Schwäche von „Miami Memory“: Trotz allem wird man nicht so richtig schlau, wo das Ganze nun hinführen soll, was die Konsequenzen und Schlussfolgerungen des Albums sein könnten. Es gibt viele Bekenntnisse, aber keine Vision und so bleibt das Werk unterm Strich ein wenig harmlos. Sollte sich Cameron aber noch weiter von seinem bequemen Hipstertum lösen, könnte von ihm noch Großes zu erwarten sein. Vorerst bleibt er ein talentierter Rollenspieler mit Potential und einem hervorragendem Produzenten.