Auf dem Debüt „Die Wilde Jagd“ hörte man unerhört Krautiges. Seit La Düsseldorf hatte sich kaum jemand auf solch fantasievolle Art und Weise mit analoger Elektronik befasst und so sorgten Ralf Beck und Sebastian Lee Philipp für einen Achtungserfolg, der auch in szenefremden Gefilden für Furore gesorgt hat. Auf „Uhrwald Orange“ wechselt Beck komplett auf die Produzentenseite, während sich sein Mitstreiter in den psychedelischen Schlieren auch allein zurecht findet.

Wer Die Wilde Jagd bereits seit ihrem Debüt kennt, kommt ganz gut mit der neuen Platte zurecht, denn nicht nur der Hang zu seltsam entrückten Titeln, sondern auch die Neigung zu einem Klangkosmos, der eigentlich seit 30 Jahren ausgestorben schien, ist geblieben. Neu beziehungsweise ausgebaut worden ist hingegen das Durchhaltevermögen, den Stücken auf „Uhrwald Orange“ noch mehr Zeit einzuräumen. Auffällig ist das bei den acht Titeln und der fast 80-minütigen Spielzeit vor allem im eröffnenden „Flederboy“, dessen Klangmotivik sich ostentativ in einer guten Viertelstunde nur marginal verändert. Gerade das lässt aber einen Rausch entstehen, der Psyche und Körper auf eindringliche Weise verbindet. Nicht viel anders verhält sich der „Stangentanz“, dessen perkussives Rattern und Rasseln beschwörend Bilder aus einem weit entfernten Zauberland halluziniert und dabei, ganz seinem Namen entsprechend, zur Bewegung aufruft.

„Uhrwald Orange“, welches wie schon zuvor „Die Wilde Jagd“ im Uhrwald Orange Studio aufgenommen wurde, ist dicht wie der Dschungel, dessen exotische Anmutung eine erhebliche Rolle zu spielen scheint. Vor allem im herausragenden „2000 Elefanten“ und seinem erratischen, kryptischen Text, wie auch in „Fremde Welt“ merkt man förmlich das dunkelgrüne Blätterdach an und eine hypnotische Wirkung an, die mit jeder Wiederholung, mit sich jeder Verstärkung, mit jeder rhythmischen Varianz ein wenig verdichtet. Das Album zieht generell Stärke aus permanenter Redundanz, die jedoch weniger ambient, sondern in erheblichem Maße körperlich zu spüren ist. Spätestens „Kreuzgang“ durchbricht hier allerdings die Szenerie in ihrer Entstehung, indem es der Motivreihung neue Impulse hinzufügt. Chorale Elemente, die ihren mittelalterlichen Bezug nicht verleugnen lassen, scheuen den Weg in die grüne Hölle nicht und verschmelzen mit ihr zu einem zeitlosen Amalgam aus Psychedelik und pastoralem Folk.

„Ginsterblut“ setzt den Weg fort, wird zur unerwarteten Fantasterei, verschiebt den Blickwinkel wieder zurück und nimmt bildhaft den pendelnden Gang der Elefantenkarawane auf. Doch eigentlich wandelt Philipp durch das Ginstertal und erinnert dabei an die leider viel zu unbekannten Lauscher und ihre an mediävistischer Folklore geschulten Volksweisen. „Uhrwald Orange“ ist ein erstaunlich abwechslungsreiches Werk geworden, auf dem „Säuregäule“ an Wolfgang Voigts technoide Landschaftsmalerei erinnert und damit sicherlich nicht von ungefähr zu „Im Uhrwald“ überleitet, jenem alles verschlingenden Moloch, wo Zeit keine Zeit braucht und das Licht im Rhythmus der Ostinato-Motive zittert. Poesie ohne viel Textkraft, denn außerhalb von „2000 Elefanten“, „Im Uhrwald“ (hier allerdings eher gesprochen) und „Ginsterblut“ kommt das Album ohne Worte aus.

Instrumentale Geschichten, die sich immanent entwickeln und dabei nie langweilig werden. Geräuschmusik, dessen Stärke das Durchhalten ist und sich trotzdem eine stetige Lebendigkeit erhält. Ein Rausch, an dem sich in diesem Jahr so manches Album messen muss. Psychedelische Schlieren, die ihre Faszination aus der Monotonie entwickeln. Ein Hörerlebnis.

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