Áine O'DwyerLocusts

Es lohnt sich, ein wenig auf Áine O‘Dwyers Werke zu warten. Gleich zwei Alben der irischen Experimental-Organistin, die Ende letzten Jahres nur auf einer Handvoll Kassetten verfügbar waren, veröffentlichten das Label Penultimate Press auf Vinyl und O‘Dwyer selbst digital auf Bandcamp. Wo sich auf „Gegenschein“ zwei imposante Tastenspiele über vierzig Minuten erstrecken, könnte das kürzere „Locusts“ mit sechs Stücken daneben simpler erscheinen – die Drones, die O‘Dwyer dem Kircheninstrument entlockt, sind aber nur noch unkonventioneller ehrfurchtgebietend.

Keine breit aufgestelle Polyphonie der riesigen Metallpfeifen, sondern die Reduktion auf stechende und rumorende Frequenzen lässt bei „Machine Drum“ die Luft erzittern. In „Psychopomp“ zeichnen tiefbassiges Brodeln und wabernde Schübe ein desolates Bild, über dem O‘Dwyers Stimme leise und aus dem Abseits erklingt, bis ein fanfarenartiger Melodieansatz zum Schluss eine optimistischere Tönung sprüht. Für empfindsame Ohren können manche Stellen so schwer erträglich sein wie bissiger Noise, gerade das Spiel mit gebündelter Intensität erzeugt aber umso subtilere Wirkungen für alles, was sich daneben abspielt. „Keraulophone“ steht jenseits der Extreme, doch auch hier ist effektiver als jeder Melodiezug das Wegfallen minutenlang gehaltener Noten, was das Hörbild sanft verwinkelt. Gänzlich fremdartig hingegen eröffnet „Sleigh Bells Descend“ mit Fiepen in fast schon penetranten Höhen, fast wie ein gezähmtes elektrisches Feedback, unter dem sich nach einer Eingewöhnungsphase dann auch vergleichsweise intime Melodien herausschälen.

Wohlgemerkt braucht O‘Dwyer für ihre Drones weder digitale noch analoge Elektronik: Für „Locusts“ improvisierte sie vor Ort auf den mechanischen Orgeln der St James’s Church im nordwestlichen England und der First Unitarian Congregational Society Church in Brooklyn. Anders als bei „Music For Church Cleaners“ bindet sie dabei die alltäglichen Begleitgeräusche der Sakralbauten nicht gezielt ein, es wird sogar zur „Interruption“, als Menschenstimmen in das modulierte Flirren hereinreden. Es erinnert ein wenig daran, wie der Priester im Grusel-Kultfilm „Carnival Of Souls“ die in ihr Spiel versunkene Organistin unterbricht, um ihr wegen des Abweichens von traditionell sakralen Melodien nicht nur berufliche Untauglichkeit, sondern gar die Seelenlosigkeit zu unterstellen. Wie als Trotzreaktion führt O‘Dwyer im anschließenden Einwurf „Dance Like Your Demon“ ein horrorsoundtrackiges Schauder-Hupen an, doch ansonsten ist „Locusts“ ein weitaus originellerer Beleg dafür, wie das entrückende Instrument in beunruhigende oder eigenartig anmutige Gefilde geleitet werden kann.

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