Von Anfang an war klar, dass Radiohead mit einem neuen Album wieder einen Schritt machen würden. Nur ob nach vorne, ob nach hinten oder zur Seite, das war praktisch seit dem Erscheinen von „The King Of Limbs“ der Kern aller Spekulationen. Damals befand sich Thom Yorke in der Hochphase seines IDM-Fiebers, war fast nicht mehr wiederzuerkennen und stülpte der Band einen vollkommen neuen Klang über, der sich noch einmal stark vom ebenfalls schon elektronisch beeinflussten „In Rainbows“ abhob. Gleichzeitig war aber immer irgendwie abzusehen, dass das nicht die Zukunft sein konnte, zumal die Band oft außer der Reihe Richtungswechsel andeutete, zuletzt mit dem Fast-Bond-Song „Spectre“. Dazu gesellten sich noch private Probleme bei Yorke, die bei Musikern schließlich nicht selten einen stilistischen Wechsel mit sich bringen.

Tatsächlich kommt „A Moon Shaped Pool“ wesentlich vertrauter und besinnlicher daher als der Vorgänger oder Yorkes letztes Soloalbum. Es ist eine Rückbesinnung auf die Vergangenheit, der jedoch einige Elemente abhanden gekommen zu sein scheinen. Insgesamt liefern Radiohead durchaus ein pittoreskes Gesamtbild ab, das in den einzelnen Songs aber kaum Wegweisendes – diesen Anspruch darf man der Band immer noch stellen – bereithält. Das liegt sicherlich zum Teil daran, dass einige Ideen oder ganze Stücke schon vor Jahren, sogar vor einem Jahrzehnt entstanden sind. Daneben wird deutlich, dass der Kokon, in den sich vor allem Yorke zurückgezogen hat, etwas zu dick geraten ist. Während das in vielerlei Hinsicht irritierende „The King Of Limbs“ durch seine Unberechenbarkeit noch fesseln konnte, kann sich diesmal nach einigen Durchgängen Ernüchterung einstellen, die sich vor allem aus Konjunktiven speist.

Was wäre, wenn die zirpenden Streicher in „Burn The Witch“ dreckig langgezogene Gitarren-Feedbacks wären, während „Desert Island Disk“ mit einem Tempowechsel wenigstens einmal dazwischen gegrätscht werden würde? Oder wenn „True Love Waits“ nicht so furchtbar deplaziert und isoliert ganz am Ende stünde, wie ein Bonus Track, der es eigentlich nur aus Verlegenheit aufs Album schaffte? Auf der anderen Seite ist so eine gedankenspielerische Urteilsweise natürlich nicht ganz fair: Neben der allseits spürbaren Fragilität und dem unglaublich stimmigen Konzept, nach dem ersten Albumstück voll in Deckung zu gehen und diese Position nicht mehr zu verlassen, überzeugt vor allem der Dreierpack aus „Identikit“, „The Numbers“ und „Present Tense“. Vor allem die beiden Letzteren bilden eine wunderbare Symbiose, greifen immer wieder Elemente aus der ganz großen Zeit der Band auf, ordnen sie aber neu an und tauchen dabei immer tiefer hinab. In solchen Momenten spielt die fehlende Explosivität keine Rolle mehr.

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