Kurt Vileb'lieve i'm goin down…
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Label:
Matador / Beggars
VÖ:
25.09.2015
Referenzen:
The War On Drugs, Bob Dylan, Neil Young, J Mascis, Creedence Clearwater Revival
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Autor: |
Katja Diehl |
Schnell mal nachgeguckt und „Puh!“ gesagt: Schon sieben Jahre ist es her, dass Kurt Vile bei The War on Drugs ausstieg? An solchen Daten merkt man immer, dass man eben doch nicht jünger wird. Optisch und soundmäßig ist Vile aber eh aus der Zeit gefallen, das relativiert diesen ersten Schock – auch, weil man sich bei ihm sofort wieder einfinden kann. Seine Stimme, gepaart mit den klassischen Country- beziehungsweise Slackergitarren würde man einfach immer wieder erkennen. Oberflächlich betrachtet kann das durchaus mal langweilen, und zugegeben: bei diesem Album dauerte es tatsächlich zwei, drei Durchläufe länger, um die kleinen, feinen, liebevollen Dinge zu entdecken, die die Detailarbeit Viles eben auch ausmachen.
Es klingt nicht selten wie dahergeleiert, weil dies eben seinen Sound ausmacht und vor allem seinen Gesang massiv prägt. Aber die Kombination aus dem banjoartigen Sound und der Stimme, die vom Keller auf den Dachboden zu klettern in der Lage ist, verbindet sich mühelos zu einem großen Ganzen und lässt zu Recht Bob Dylan oder auch Beck als Vergleiche zu. „That´s Life, tho (almost hate to say)“ ist so ein Song, der lässig daherkommt, aber das Scheitern und Verzweifeln beschreibt. Man ist nunmal dem Leben ausgeliefert, bildet sich ein, es beeinflussen zu können – um dann immer mal wieder festzustellen, dass es eben doch eher äußere Umstände sind, die es modellieren. „When I go out I take pills to take the edge off/ or to just take a chillax, forget about it/ Just another certified badass out for a night on the town“. So nerdig Kurt Vile optisch auch daherkommt, so sehr ist er doch ein guter Beobachter von uns allen. Er trifft mit seinen Texten den Nerv einer Generation, die bei allen Optionen, die sich ihr bieten, mehr zu suchen denn zu finden scheint. Das Leben, das rasend komisch sein kann, bietet auch viel Gelegenheit zum Verzweifeln. Und genau an diesen unvereinbar scheinenden Gegensätzen arbeitet sich Vile, mittlerweile auch Familienvater, ab.
Der Eingangssong „Pretty Pimping“ beschreibt das Gefühl, das man haben kann, wenn man sich selbst wie einen Fremden empfindet, in dessen Körper man wohnt. Songs wie „Wheelhouse“ (nach eigenen Angaben sein Lieblingssong auf diesem Album) sind so intim, dass man meint, Vile habe noch kurz zuvor gesagt: „Schön dich zu sehen! Setz dich. Willst du einen Kaffee?“ Er ist in der Lage, eine Nähe zu generieren, zwischen die sich manchmal nur der nasale Murmelfaktor schiebt, der es unmöglich macht, alle Texte auf Anhieb zu verstehen. Da ist nichts Maschinelles zwischen Autor und Hörer – ein Gefühl, das auch bei seinen Liveautritten erzeugt wird. Songs wie „Life Like This“ zeigen, was bei Vile Uptempo bedeutet. Wie auf Treppenstufen hüpfend und dabei einen Abzählreim deklamierend bewegt er sich durch dieses Stück und reiht Aussage an Aussage. Fast schwerelos, wie viele Passagen auf diesem Album, so auch das Gitarrensolo auf „All In A Daze Work“. Kurt hält es aus, wenn mal nicht viel passiert. Eine Kunst, die nicht mehr viele verkörpern, weil das Leben immer mit möglichst viel Inhalt gefüllt werden will und keine Zeit für Muße ist.
Kurt Vile verschafft uns mit „b’lieve i’m goin down…“ genau diese Muße, erlaubt eine Pause im hektischen Alltag. Und das ist ein größeres Geschenk, als man zunächst zu glauben vermag.