GeorgiaGeorgia

Das Intro bereitet uns vor: Wir stehen an einem kristallblauen Gebirgssee, über den es kinderstimmig „Georgia“ hallt, als müsse die Künstlerin erst noch herbeibeschworen werden. Was dann folgt, ist extrem komplex und führt uns rund um die Welt. „Kombine“ … ja, kombiniert wuchtig-synthige Rhythmen mit arabesken Gesängen und dem lockenden Gesang von Georgia Barnes. Im Gegensatz zum verwirbelten Klang der begleitenden Instrumente und Sounds ist ihre Stimme oft die einzige Konstante und Orientierung im Dschungel der Welten, die sie erschafft. Von Sekunde eins an ist das Debütalbum der Britin sehr kraftvoll, sehr organisch.

Songs wie „Be Ache“ bauen sich langsam auf und treffen dann mit voller Wucht in die Magengegend (auf eine gute Art). Stillhalten gelingt nicht bei diesen pumpenden Stücken, die mit Robyn und The Knife zu vergleichen naheliegt, aber nicht ihren Kern trifft. Denn „Georgia“ ist weit weniger verträumt, als es Skandinavier zuweilen sind. Das Experiment dieses Albums liegt in der Vereinbarung bekannter Sounds und selbstbewussten Gesangs mit Schmuckelementen, die das Eigentliche nur betonen, anstatt es zu verdecken. „You’re making me the enemy/ I´ll never be free“. Auch Georgia dreht sich um das nicht an rätselhafter Kraft verlierende ewige Thema der Liebe.

„Nothing Solutions“ spricht es aus: „It could be something – nothing“. Der Frust ist hoch, zu viele schlechte Erinnerungen an Betrug und Verlassenwerden, um ganz optimistisch in die Zukunft der Liebe zu blicken. Barnes genießt es dafür, dieses Ärgernis, das unser Leben nur allzu gerne bestimmen möchte, in paralysierende Klangwelten zu verpacken. Songs wie „Hold It“ lassen auch mal der männlichen Stimme etwas Raum und nehmen sich loopartig Raum, bevor sich Barnes samtig hinzuschleicht. Auf die Tanzfläche zieht das im Gegensatz zu „Digits“ nicht, aber genau das macht das Schillernde dieses Albums aus. Jeder Song verhaftet sich auf seine ganz eigene Weise: „You“ umschmeichelt feengleich die Ohren, während bei „Tell Me About It“ ein wenig Bumping-Car-Sound entsteht. Mit „I love you too much/ then I hate you too much“ wird das gesunde Mittelmaß der Gefühl gelegentlich gesucht, aber vielleicht bewusst auch nicht gefunden. Denn im Leid liegt Schaffenskraft.

Zwischenspiele wie das 15-sekündige „Cab Drive“ unterbrechen dabei noch nicht einmal den Fluss, sondern scheinen „Tell Me About You“ anzumoderieren. Barnes ist wie ein Würfel, der immer auf eine andere Seite fällt und eine neue Punktzahl hervorzaubert, mal R´n´B, Artpop-Grime oder Rap (wuchtig: „Move Systems“, das aus der Welt einer M.I.A. zu entspringen scheint). „Georgia“ ist ein Debüt, aber es klingt so vielseitig, dass man glaubt, hier schon einen alten Hasen performen zu hören.

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