Sophie HungerSupermoon
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Label:
Caroline
VÖ:
24.04.2015
Referenzen:
David Bowie, St. Vincent, Peter Gabriel, John Vanderslice, Roxy Music, Marika Hackman
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Autor: |
Katja Diehl |
Plopp – leise gibt die Rotweinflasche der wertvollen Flüssigkeit in ihrem Inneren Raum zum Atmen, zum Reifen und zum Sterben im späteren Genuss. Sophie Hunger schafft mit der ersten Minute von „Supermoon“ eine Intimität, wie sie sonst nur ein Rotweinabend mit der besten Freundin schaffen kann. Vielleicht sogar mit langen Strecken ohne Worte, weil man sich blind versteht und um die aktuelle Lebensschwernis der anderen wissend keine überflüssigen Floskeln dreschen will. Wo Hunger zu hören ist, ist ein Gefühl von Ankommen und Rastmachen nicht weit. Sie nimmt uns Lebenserschöpfte in den Arm, streicht über unsere Köpfe mit Songs wie dem Titelstück („When I look at you/ I see the world“) und dem französischen Duett „La Chanson D´Hèlene“ („Je regarde le soir tomber – c´est la vie“), das knarzend in den nächsten Song übergeht. Trost ist, wo Sophie singt.
„Supermoon“ ist ein Diamant, der auf facettenreiche Weise zu funkeln weiß. Nicht nur, dass sie mehrere Sprachen spricht und diese auf einem Album vereint („Die Ganze Welt“ als deutscher Zeuge dieser Begabung), sie ist auch noch in der Lage, diese Sprachen so zu singen, dass sie einheimisch und nicht willentlich international daher kommen. Sie macht die Menschen, über die sie singt, zum Mittelpunkt ihres Universums, widmet sich ihren Hörern mit großer Intensität. Nummer vier ihrer Alben ist immer noch angenehm sperrig und (hoffentlich) weiterhin nicht zu massenkompatibel. Denn Diamanten sind doch eigentlich egoistisch zu tragende Schmuckstücke, die sich am besten tragen lassen, wenn nicht jeder sie versteht.
Auch auf „Supermoon“ fühlt man sich wie auf einer Reise, die man gemeinsam mit Hunger unternimmt. Sie lässt sich nicht festlegen, wechselt die Produzenten und Orte, an denen sie einspielt mit jedem neuen Werk. Die Schweizerin hat die Berge verlassen, um aktuell in unserer Hauptstadt heimisch zu werden. Sie ist wandlungsfähig in Stimme und Instrumentierung, auch wenn ihr Gesang stets der Fixstern ihres Sonnensystems bleibt. Zu fähig und präsent, um in den Schatten der Instrumentierung zu treten. Dabei fehlt Hunger die Songwriter-Attitüde einer gitarrenbewehrten Amazone gänzlich. Sie beherrscht die Synthies und das Piano und die Komposition der weiteren musikalischen Begleiter auf den Punkt. „Love Is Not The Answer“ ist ein solcher Track, der verdeutlicht, dass Individualität von Songs nicht den Bruch eines Albums bedeuten muss. Auch wenn Hunger schillernde Geschichten erzählt, entfernt sie sich nicht wie eine Fee aus der Realität, sondern bleibt mit einem Bein immer im Hier und Jetzt. „Whatever you do/ please don´t love me“. Was für ein Aufruf, da muss natürlich eine Moogsequenz folgend, um dem schillernden Song ein weiteres Soundhighlight hinzuzufügen.
33 Jahre alt ist Hunger im Jahre 2015, schon ein wenig altersweise – und immer wieder bereit, Alltagssituationen zu fröhlichen Sounds zusammenzufügen („Superman Woman“). Es ist diese Art von entspanntem Talent, das sich in kleinen Gesten zu zeigen sich selbst genügt. Da weiß jemand, auf welches Können sie bauen kann und überkandidelt die Spielfreude nicht, sondern packt sie einem Soundtrack gleich in ein wundervolles Album, das Musicalmomente ebenso offenbart wie stille, in sich gekehrte.
„Die Schweizerin hat die Berge verlassen, um aktuell in unserer Hauptstadt heimisch zu werden.“
Eigenartig. Ich dachte immer, sie wohnte zuletzt in Zürich (ich selbst wohne in Basel und könnte nie in den Bergen wohnen).