East India YouthCULTURE OF VOLUME
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Label:
XL / Beggars
VÖ:
03.04.2015
Referenzen:
Gary Numan, LoneLady, David Bowie, Pet Shop Boys, Scott Walker
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Autor: |
Katja Diehl |
Auf manchen Schwarzweiß-Porträts sieht William Doyle aus, als sei er aus den Sechzigerjahren in unsere Zeit gefallen. Musikalisch preist er jedoch eher die Hohejahre der Synthies und verliert sich auch auf „CULTURE OF VOLUME“ in den Breiten und Tiefen, die diese Instrumente bergen. Schon der erste Track „THE JUDDERING“ macht die Welt, den diese Klänge erschließen, weit auf, sphärisch, unwirklich und zeitraubend im besten Sinne. Denn wer William Doyle aka. East India Youth zuhören möchte, darf kein ungeduldiger Mensch sein, der mit der Musik schnell zum Punkt kommen möchte. Doyle erzählt eher lange Geschichten als Short Stories, auch wenn er mit Tracks wie „END RESULT“ beweist, dass es dafür nicht vieler Worte bedarf – aber eben doch einer Songarchitektur, die im langsamen Aufbau von Spannung ihre Wurzeln hat.
Das ist Pop, in seiner feinsten Fassung: nicht wiederholend, was andere schon taten, sondern versammelnd, was gut ist – und dem Ganzen einen durchaus innovativen Stempel aufdrücken. Die Zutaten der Mixtur von East India Youth sind auch auf dem zweiten Album in der Geschichte dieses Experiments bekannt, aber es ist kein Wiederkäuen bereits vertrauter Zutaten, sondern stellt sich auf ganz eigene Weise einen Kosmos zusammen. Trotz ihrer technischen Basis ist die Musik von Doyle dabei nie kalt, sondern organisch warm. Sein Debüt wurde hoch gefeiert und gelobt – „Total Strife Forever“ war etwas, das so ganz neu in den Synthiebreimixsalat stieß, dem sich durchaus viele Bands in den letzten Jahren verschrieben haben.
Natürlich liegt der Vergleich mit diesem erfrischenden Werk nahe, auch wenn es ungerecht sein mag, einen Künstler an seinem strahlenden Erstling zu messen. Manchmal ist der zweite Wurf eben doch etwas vorsichtiger, weil mit ihm viele Erwartungen verknüpft sind: die des Künstlers an sich, die des gewonnenen Publikums, der Kritiker und nicht zuletzt des Labels. Bahnbrechen, das birgt auch immer viel Verantwortung, so bricht das Album schon mit dem dritten Song leider etwas ins Beliebige. Ist Song 1 noch die Eröffnung für den tollen zweiten Track, so ist „BEAMING WHITE“ schon etwas lalala-beliebiger als erwartet und auch „CAROUSEL“ kommt etwas naiv daher. Aber was soll´s? Das Album ist innerhalb mehrerer Monate entstanden, da kann man auch mal schlechte Zeiten haben und ein wenig wie das Leben spiegelt eben auch „CULTURE OF VOLUME“ die Höhen und Tiefen im Zeitengang wieder.
Denn schon „TURN AWAY“ fühlt sich wieder wie Zuhause und nah an, nicht mehr zu nah an den Pet Shop Boys oder anderen Wegbereitern, sondern eigen um die Stimme Doyles gestrickt. „HEARTS THAT NEVER“ ist sogar wieder richtig spannend und treibend, und hey: Doyle ist Anfang 20 und hat musikalisch schon so viel auf dem Buckel, dass wir noch auf mehr hoffen können. Kann er auch mit seinem zweiten Werk nicht so begeistern wie mit dem Debüt, ist er immer noch weit hochkarätiger unterwegs als viele andere. Vielleicht braucht es einfach nur wieder den Mut eines Anfangs.