InterviewYoung Fathers

Interview: Young Fathers

An Young Fathers führt momentan einfach kein Weg vorbei. Das Trio aus Edinburgh bastelt seinen ganz einen Stil aus HipHop, Soul und Experimental-Pop, der aber mit keinem dieser Genres explizit etwas zu tun haben will. Die „Wir lassen uns nicht in eine Schublade stecken“-Attitüde ist mittlerweile sicherlich bekannt, fast eine Floskel. Doch erstens könnte man das aktuelle Album „White Men Are Black Men Too“ tatsächlich nur als „Prog-Rap“ katalogisieren – und selbst das wäre noch nicht hundertprozentig adäquat. Zweitens steht die Band Genrezuordnungen vor allem deshalb kritisch gegenüber, weil ihrer Ansicht nach so das individuelle Hörerlebnis eingeengt werden würde.

Grund genug für Young Fathers, die übliche Interviewstruktur einmal umzudrehen: Ende letzten Jahres präsentierte sie einer kleinen Gruppe von Journalisten erste Songskizzen von „White Men Are Black Men Too“ – und bevor man die drei befragen durfte, wurden die Journalisten selbst befragt (man konnte unter anderem raten, um welches Thema es in den Songs ungefähr geht und wie man die Geschwindigkeit der Stücke einschätzen würde). Anlässlich des Erscheinens ihres neuen Albums buddelten wir mal in unserem Interview-Archiv.

AUFTOUREN: Herzlichen Glückwunsch! Ihr habt gerade den Mercury Prize gewonnen. Das ist ja nur wenige Tage her, was hat sich seitdem für euch geändert?

Alloysious Massaquoi: Wir haben schon eine Menge Veränderungen wahrgenommen. Mehr Interviews beispielsweise. Für uns ging es vor allem um die Performance. Darauf haben wir uns fokussiert. Wir hatten die Möglichkeit, vor so vielen Zuschauern im Fernsehen aufzutreten. Darum ging es uns, von so vielen Leuten wie möglich einmal gehört und gesehen zu werden. Und wenn man sich dann ein wenig mit dem Preis beschäftigt, mit der Intention und dem Hintergrund, dann geht es ja darum, dass den auch Leute bekommen, die ein wenig vorwärtsdenkend unterwegs sind und ein wenig anderes Zeugs machen, dann ergibt das schon Sinn, dass wir gewonnen haben. Aber wir haben in dem Sinne sowieso gewonnen, dort sein zu können und überhaupt nominiert gewesen zu sein.

Fühlt ihr euch bei eurem Label Big Dada denn wohl?

Massaquoi: Ja, auf jeden Fall. Das ist ein Team, das sehr musikinteressiert ist. Das Ding wird einfach von echten Musikliebhabern betrieben und das ist großartig.

Was hat das denn mit dem heutigen Interviewkonzept auf sich? Eigentlich habe ich ja was anderes erwartet. Ich befrage euch und nicht ihr mich.

Kayus Bankole: Wenn Journalisten uns fragen „Was ist das denn für ein Genre oder was ist hier die Absicht?“, dann stelle ich eine Gegenfrage. Das müssen die mir doch selbst sagen. Du hörst doch die Platte. Meine Emotionen sind anders als deine. Du interpretierst es eventuell ganz anders als es mal meine Absicht war. Und das ist gar keine schlechte Sache. Das ist doch gerade das Schöne an Musik. Ich kann doch auch unfassbar schnelle Songs als traurig empfinden. Du kannst daraus machen, was du willst. Und diese Impressionen interessieren uns auch.

Warum verspürt ihr gegenüber Genreeinordnungen so ein Unbehagen?

Massaquoi: Man engt sich einfach ein. Warum sollte man seine Sachen denn begrifflich irgendwie limitieren? Das ist doch expressiv, kreativ! Es gibt da keine Regeln. Keiner von beansprucht, als Sänger wahrgenommen zu werden oder ein Rapper zu sein. Das ist ein Prozess. Es geht darum, etwas zu machen, das neu ist. Und man muss selbst ganz dahinterstehen und es lieben. Genres, Stile und diese ganzen Konturen, das zählt nicht.

Bankole: Wir glauben, dass wir wie keine andere Band klingen. Wir sind Fans und hören natürlich viel Spaß. Auch viel HipHop. Vieles beeinflusst uns, aber es ist ja nie eine unmittelbare Übernahme. Das würde es ja dann nicht mehr interessant machen. Wir machen Musik für uns und erst wenn wir begeistert sind, spüren das die Leute.

Aber auch wenn ihr euch jetzt nicht als Rapper definiert, gibt es doch schon die Tendenz, dass HipHop ein wenig progressiver wird, sowie mit Bands wie alt-J auch die Indie-Szene sich neuen Spektren öffnet.

Massaquoi: Definitiv. Es wird offener. Mehr Sachen werden relevanter. Ich würde sagen, man ist sich des Individuums bewusster geworden. HipHop war eigentlich immer irgendwie konservativ und ist es zum Teil immer noch. Man muss das hören, sich auf eine bestimmte Weise kleiden und so weiter. Mittlerweile gibt es aber zum Beispiel mehr homosexuelle Rapper und solche Entwicklungen sind doch gut.

Bankole: Viele experimentieren mittlerweile mehr. Aber ich würde sagen, HipHop war eigentlich schon immer so, wenn man zurückschaut. Es war eine Plattform, um möglichst expressiv zu sein. Es sind so viele Elemente drin – Blues, Funk und noch viele andere Ansätze. Und das hat doch die Leute sehr beeinflusst. Eine Sache: Wir würden uns aber nie als HipHop bezeichnen, weil nichts so direkt erkennbar ist, dass man es als HipHop bezeichnen könnte.

Ich habe einige Klangproben eben als ein wenig aggressiv, oder sagen wir besser, als extrovertiert empfunden. Andere Momente klangen in meinen Ohren eher sehr sensibel.

Bankole: Okay … beim ersten Hören geht es ja auch um das Spüren von Sound, die Leidenschaft, das alles erfühlt man vielleicht schon beim ersten Mal. Das funktioniert auch ganz unabhängig davon, ob man jetzt die Sprache beherrscht. Es ist doch eine gewisse Essenz, die man unmittelbar wahrnehmen kann. Und das ist wichtig. Die Texte spielen da gar keine große Rolle, die kann man auch noch später lesen. Es kann ja sein, dass es in dem Song, der eher nach Krieg klingt, tatsächlich um Liebe geht.

Wie fühlt ihr euch denn in Berlin?

Massaquoi: Wir waren schon einmal hier. Aber es ist ganz anders, wenn man für einen ganzen Monat hier ist. Man will so viel wie möglich mitnehmen, viele kulturelle Eindrücke. Keiner von uns spricht deutsch. Wir wollten mal eine bestimmte Sorte Früchte kaufen, das hat von der Verständigung her nicht ganz geklappt. Wie ging es weiter? Dann haben wir zusammen versucht, Stifte zu finden, was ganz lustig war. Dann mussten wir aber sogar noch andere Leute in der Straße fragen. So Situationen sind für uns auch einfach schöne Erfahrungen. Die Geschichte der Stadt ist natürlich relevant, auch aus musikalischer Perspektive ist diese Stadt natürlich sehr bedeutend, auf internationaler Ebene. Für uns ist das eine tolle Gelegenheit, spannende Personen zu treffen und Sachen zu entdecken.

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