Acht lange Jahre sind seit dem letzten Album von Modest Mouse vergangen. In der Zwischenzeit wurde Deutschland endlich Weltmeister, Barack Obama Präsident und die Welt jeden Tag gefühlt ein bisschen schlechter. Zumindest in den Globalzusammenhängen. „Strangers To Ourselves“ erscheint darüber hinaus genau in jenem Frühjahr, das wohl als eines der gewaltigsten in die Geschichte langersehnter Musikveröffentlichungen eingehen wird: Blur sind wieder da, Vorzeigerapper Kendrick Lamar überrascht mit „To Pimp A Butterfly“, hinzu kommen noch feste Indie-Größen wie Tocotronic, Death Cab For Cutie, Sufjan Stevens oder The Decemberists. Und selbst Radiohead wollen wohl noch dieses Jahr eine neue Platte machen. Dass dabei nicht jedes Werk die ins Unermessliche gesteigerten Erwartungen erfüllen kann, liegt auf der Hand und die ersten Reaktionen zeigten doch deutlich, dass nicht alle vom sechsten Modest-Mouse-Album begeistert sind. Der zu erwartende Backlash nach langen Jahren der Begeisterung und des Hypes – oder ein wirklich-wahres Defizit an guten Songs?

Nun, beides trifft nicht zu. Viel eher zeigt sich eine Problematik, die man bereits von anderen ihrer Alben nur zu gut kennt: Oftmals meinen es Isaac Brock und Co. zu gut mit der Zuhörerschaft, können sie sich doch kaum zügeln und sich wohl auch nicht wirklich von eher mediokrem Material trennen. Denn selbst auf einem allseits anerkannten Meisterwerk wie „Good News For People Who Love Bad News“ ist nicht jede Frucht reif und saftig, Songs wie „This Devil’s Workday“ oder „Satin In A Coffin“ wirken kratzbürstig und störrisch und nagen an den losen Nervenenden. Modest-Mouse-Alben waren also seit jeher auch kleine Marathonläufe gegen die eigene Erwartungshaltung, aus denen man am Ende doch so oft als Gewinner hervorging.

Die neue Platte der Band aus dem US-Bundesstaat Washington breitet also einmal mehr das Portfolio der Möglichkeiten vor dem Hörer aus, zeigt eindrucksvoll auf, wie vielfältig die Band agiert. Dass dabei nicht jeder Song ins Schwarze trifft, ist auch klar: „Pistol (A. Cunanan, Miami, FL. 1996)“ ist beispielsweise ein äußerst stumpfer Versuch, HipHop- und R’n’B-Elemente in den bandeigenen Sound zu integrieren, wirkt aufgrund der verfremdeten Stimme Brocks aber reichlich nervenaufreibend und quälgeistig. Von den schwachen Lyrics ganz zu schweigen. „Sugar Boats“ ist einmal mehr Kirmes für die Ohren, kann aber dem ewigen Tom-Waits-Vergleich wahrlich nicht standhalten, zu sehr sind hier noch die Zügel angezogen, zu geradlinig tänzeln Modest Mouse in den vier Minuten um das Kettenkarussell. Und auch das eröffnende Titelstück zählt nicht gerade zu den aufregendsten Highlights in der über 20 Jahre währenden Karriere der Band.

Sieht man von den angesprochenen Schwachstellen ab, bietet „Strangers To Ourselves“ jedoch auch wieder jene Momente auf, die man sich von Modest Mouse wünscht. „Lampshades On Fire“ verknotet sich selbst die Beine und steht in der Ahnengalerie damit neben Songs wie „Dashboard“ oder „Float On“. Im exotisch angehauchten Schmachtfetzen „Ansel“ kommen Steeldrums zum Einsatz, ohne aber in puren Blödsinn abzudriften, wie es sonst so oft der Fall ist, wenn man das Signature-Instrument der Flippers für eigene Zwecke nutzt. Die Geschichte, die Isaac Brock hier erzählt, ist ohnehin zu traurig und rührig, geht es doch um den verlorenen Bruder. Für das sechsminütige „The Ground Walks, With Time In A Box“ verbraten Modest Mouse mehr Ideen als andere Bands in ganzen Karrieren, während das herrlich melancholische „Coyotes“ zu gezupften Gitarren die Fährte aufnimmt. Irgendwo im Schnee müssten noch frische Spuren sein! Es sind solche Songs, mit denen Modest Mouse berühren, egal wie wandlungsfähig sie sich sonst geben. Mit dem sich majestätisch aufplusternden Abschluss „Of Course We Know“ beendet das Sextett ein Album, das nicht über die gesamte Spielzeit überzeugen kann und dennoch problemlos zu den Highlights eines starken Frühjahrs gezählt werden darf. Denn sie wissen meist, was sie tun.

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