KimbraThe Golden Echo

Dass Kimbra Johnson für ihre Popvision große Ambitionen hegt, machte schon ihr Debütalbum 2011 deutlich, auf dem sie noch Mühe hatte, alle Einfälle halbwegs stimmig unter einen Hut zu bringen. Das Nachfolgewerk schien sogar ein regelrechtes Chaos zu verheißen, war die Neuseeländerin doch im Vorfeld auf der Bühne wie im Studio mit einem kunterbunten Kollaborationshaufen aus Leuten von Dirty Projectors, The Dillinger Escape Plan, Foster The People, Flying Lotus und vielen mehr zugange. Zum Glück ist „The Golden Hour” aber mehr als die Vermischung seiner einzelnen Teile geworden.

Ohnehin hat es nur ein Dutzend aus einer Vielzahl von Stücken auf das Album geschafft, so dass Songs mit Ben Weinman, Omar Rodriguez-Lopez und Dave Longstreth nur als Bonustracks oder erst in Zukunft zu hören sein werden. Mehr als mit Namedropping prägt ohnehin die nachnamenlos auftretende Kimbra selbst ihre Songs mit souligen Vocals, über die sie auch in oft hohen Stimmlagen die Kontrolle bewahrt. Häufig blickt sie damit halb in die Vergangenheit, wie im meditativen „As You Are“ („Cos honey that hourglass got me thinking/ you ain’t no friend of mine/ We were moving so fast and the sand was sinking/ Why not keep chasing time?“), besonders im überbordenden „90s Music“ – zumindest auf der nostalgischen Textebene: „MJ & Mariah/ Nirvana & Aaliyah/ R Kelly & Mary Blige/ TLC & Left Eye“. Musikalisch hingegen vermag das aufgedreht voranklatschende und snaretickende Dutzendpack mannigfaltiger kleiner Vocal- und Instrumentalhooks, ein Gefühl für die Farben- und Formenfreude damaliger Popkultur-Ästhetiken zu vermitteln, ohne tatsächlich den Sound der Periode zu rekreieren.

Dass Nirvana der einzige Rock-Act unter den aufgezählten 90er-Referenzen sind, passt kurioserweise dazu, dass Daniel Johns von ihren späteren australischen Möchtegern-Pendants Silverchair an anderen Songs des Albums mitwirkte. Doch programmatisch für „The Golden Hour” sind statt Flanellhemden und dicken Gitarren eher die anderen Namen in der Liste. Über den Bassläufen von Thundercat lehnen sich die knistrigen Sepiatöne von „Rescue Him“ oder die in wüsten wie entspannten Sequenzen soulig dahingroovende Discopracht von „Miracle“ (mit Begleitvocals von Johns) näher an modernen Weitblick-R’n’B von Monáe, Miguel oder Bilal, der selbst auf „Everlovin‘ Ya“ das einzige echte Duett mit Kimbra bestreitet.

In ihrer Liveinstrumentierung mögen sie nicht gleichermaßen schnell ins Ohr springen wie das zu Albumbeginn angedeutete Popchaos, wobei der Robo-Funk „Nobody But You“ oder das Prince-artige „Madhouse“ zwischendurch wiederholt Energieschübe bringen. Vor allem auf Dauer erweisen sich aber glutvolle Stücke wie „Everlovin‘ Ya“ oder die blubbernde Westküstenschwelgerei „Carolina“ als ergiebig, weil Kimbra nicht nur fähige Leute namens Van Dyke Parks und Miguel Atwood Ferguson für Streicherarrangements engagiert hat, sondern sich auch besonders dort Zeit nimmt, wo sie nötig ist. An Radioformat oder ein knackig kurzes Video ist bei „Waltz Me To The Grave“ mit einem fast zweiminütigen Ambient-Outro nicht zu denken, die runden 7½ Minuten Länge sind aber ebenso kein Gimmick wie das geschätzte halbe Dutzend verschieden gefilterter Vocals, in die sich Kimbra wie in einem unmöglich häufigen Kostümwechsel wirft. Am Ende scheint sie derart geschafft, dass sie vor der letzten Gesangssequenz überm Piano-Schlagzeug-Zwischenspiel einfach nur tief und in langen Zügen atmet. Warum auch sollte auf einem Popalbum nicht mal dafür Zeit sein?

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