InterviewYesterday Shop

Interview: Yesterday Shop

Yesterday Shop sind ein Paradebeispiel dafür, dass sich auch junge, englischsprachige Bands in der Popwelt behaupten können – und sich sogar trauten, ein eigenes Label zu gründen. Nach „Parodos“, ihrem zweiten Album, ist nun die Zeit, ein wenig Revue zu ziehen. Im Gespräch: Clemens, Sänger und Gitarrist der Reutlinger, über die Chor-Affinität der Band, Germany´s Next Top Model, Existentialismus und das Leben in einer Band, die sich mehr Arbeit aufhalst, um ihren Entscheidungsspielraum zu behalten. Die Gruppe hat sich in dieser Hinsicht, sozusagen, selbst zu mehr Freiheit verurteilt.

AUFTOUREN: Das Klavier scheint viel zentraler angelegt zu sein. Insgesamt ist der Sound zum Vorgänger auch weniger verwaschen hallig. Die Shoegaze-Ebene höre ich immer noch raus, allerdings ist alles sauberer. Wo siehst du denn noch die Hauptunterschiede?

Clemens: Wir haben einige klassische Referenzen, auch wenn wir jetzt nicht Debussy analysieren oder so. Gewisse Melodiebögen haben wir vielleicht durch dieses leichte Klassikinteresse gewonnen. Außerdem ist auch gerade der Gesang zentraler, würde ich sagen. Das war eine zentrale Entscheidung. Das heißt, während der beim letzten Album eher ein Instrument war, ist das nun anders gesetzt. Und diese Chorsequenzen sind natürlich auch in diesem Sinne klassisch. Wir haben ein anderes Selbstbild nach dem ersten Album. Wir reflektieren noch mehr. Und zweitens: Soundmäßig haben wir damals mit ganz vielen Gitarrenwänden gearbeitet und nun wollten wir das ein wenig reduzieren. Das Klavier ist da einfach direkter, nicht mit Effekten versehen, jeder Ton sollte nun hörbar sein und das war auch spannend.

Zum Titel „Parodos“. Das ist der Seiteneingang im alten griechischen Theater. Wirkt relativ konzeptionell, weil auch eine griechische Statue das Cover ziert. Was steckt konkret dahinter?

Das ist im Grunde eine relativ lange Geschichte. Als ich die Texte für das neue Album fertig hatte, die ich voneinander getrennt schreibe, ist mir dieses Oberthema erst bewusst geworden. Das habe ich zwar immer, aber ich merke das erst im Nachhinein. Es geht im Grunde oft um Biographien, die sich in so eine unausweichliche Katastrophe manövrieren. Die keine Chance mehr haben, aus diesen Situationen mehr rauszukommen. Obwohl sie durch eigene Entscheidungen dahingekommen sind. Das hat mich an die zahlreichen Schicksale der griechischen Tragödie erinnert, die ja auch ins Unglück schlittern, ab einem gewissen Punkt ohne eigenes Verschulden. Dann fand ich das aber so negativ, diese Ausweglosigkeit. Das ist ja auch Schwarzmalerei. Man hat keine Chance, zu entweichen. Dann bin ich auf den Begriff „Parodos“ gestoßen, der den Seiteneingang meint, über den dann der Chor die Bühne, also das Geschehen, betritt. Ich fand das dann ganz lustig, weil dieser Choreinzug ja dann doch einen Hoffnungsschimmer hat. Diese Außenperspektive. Vielleicht gibt es doch noch etwas jenseits dieser Ausweglosigkeit. Es gibt immer noch die Möglichkeit, die Sachen zu betrachten und eventuell einen Ausweg zu finden. Das ist so der grobe Plan.

Woher kommt das Interesse für das Motiv der Antike? Unter anderem haben sich ja auch Arcade Fire bei ihrem letzten Album an dieser Symbolik ein wenig orientiert und auch direkt antike Gestalten thematisch aufgegriffen.

Es ist bei uns gar nicht so hochgegriffen. Ich habe Politikwissenschaften studiert, das ist wirklich mehr Praxis als Theorie. Diese ganzen Sachen jetzt, griechische Tragödie, Antike und Gestalten wie Antigone oder so, das sind einfach auch Sachen, die bei mir noch aus der Schulzeit einfach hängengeblieben sind. Das merke ich rückblickend. Spezifische Konzepte interessieren mich einfach sehr: Einerseits die Antike, andererseits auch die Philosophie des Existentialismus, das sind Kernthemen, die mich reizen. Gar nicht abgehoben, diese Konzepte, diese Blöcke kann man auf das alltägliche Leben übertragen. Das kann man zum Teil sehr konkret auf Biographien in der heutigen Zeit übertragen und das finde ich spannend.

Bei eurem letzten Album gab es auch eine Anspielung zu Albert Camus´ Roman „Der Fremde“, der ja dem Existentialismus zugeschrieben wird. Jetzt gibt es erneut diese Referenzen an eine philosophische Tradition. Woher kommt diese Vorliebe für so Metabezüge? Eure Songs wirken zwar persönlich, aber sie verdecken auch immer ein wenig diese Unmittelbarkeit.

Ich glaube, dass liegt daran, dass ich immer ein wenig Angst habe, den Zeigefinger bei persönlichen Texten rauszuholen. Daher eventuell dieser Hang zur Metaebene. Ich schreibe schon aus persönlicher Sicht. Ich finde es aber schwierig bei Texten, die sehr kritisch auf bestimmte Sachen schauen, aber sich selbst komplett rausnehmen. Beispiel Spießigkeit, das auch zum Teil Thema der neuen Platte ist: Ich merke das ja auch ein wenig bei mir selbst und ich will das bei anderen nicht so einseitig ankreiden, ich finde das schwierig, wenn man es zu sehr im subjektiven Rahmen belässt. Ich will das auch ein wenig abstrahieren. Es soll Spielraum bleiben, es soll Interpretationsvarianten geben.

Kann man sich durch das englische Songwriting dadurch ein wenig gegen zu viel Unmittelbarkeit immunisieren? Ist das daran gekoppelt?

Ich muss sagen, ich habe lange versucht, deutsche Texte zu schreiben. Aber mir gelingt es nicht. Es ist zu nah, mir auch zu direkt und zu voreingenommen. Das Englische ist dankbar, es lässt Spielraum. Das ist aber nur der eine Punkt. Der andere, so blöd es klingt, ist einfach der, dass Englisch die Popsprache ist. Von der Klangfarbe passt es zu der Art von Musik einfach perfekt. Zu dem Instrumentellen würde die deutsche Sprache nicht so hinhauen. Früher habe ich überlegt, französische Sachen reinzubringen. Aber das war mir dann auch wieder zu modern. Englisch liegt mir da besser als das Deutsche. Es ist einfach praktischer.

 



Einfacher und praktischer stellte sich auch die Gründung des Labels Trickser heraus, auf dem das Debüt des jungen Quartetts erschien. Allerdings erst im Nachhinein, denn als das Material noch keinen Abnehmer fand, kam erst die Entscheidung. Die Band kommt einfach aus einer „Do-It-Yourself-Ecke“, so Clemens. Und man freut sich, dass man selbst entscheiden kann, mit wem man zusammenarbeitet und wer für das Video arrangiert wird. Mittlerweile ist es ein zweiter Beruf mit dem Musikmachen – umso schöner, wenn man sich hier Freiraum bewahren kann. Doch auch von hier aus kommt Clemens nicht mit dem Indie-Zeigefinger. Stattdessen wird eine Art Sachzwang entdeckt, von dem sich Yesterday Shop allerdings von Anfang an abgekapselt haben.

 

Wie wichtig ist es euch, selbst die Fäden in der Hand zu haben? Genießt man diese Freiheit? Auch bei eurem eigenen Label Trickser?

Wir haben einfach konkrete No-Gos. Nicht konkret auf Papier, schwarz auf weiß, aber ich behaupte einfach mal, dass es welche gibt. Wie zum Beispiel, dass wir nicht beim Eurovision Song Contest auftreten würden. Ich weiß, wenn man uns googelt, dann kann da ein Eintrag Missverständnisse erzeugen. Wir wurden auch schon mal diesbezüglich gefragt, weil man dachte, wir hätten da teilgenommen. Die haben das falsch gelesen und haben uns dann auch gefragt: Wie kommt ihr dazu, da mitzumachen? Und wir dann: Moment, das stimmt nicht. Aber generell, Crowdfunding zum Beispiel. Das ist auch mittlerweile schwierig, weil es so inflationär geworden ist. Man kann sich dann auch zu sehr in andere Hände legen. Das sehe ich mit einem weinenden Auge. Es macht einfach Sinn, sich sehr genau zu überlegen, mit welchen Leuten man arbeitet. Manchmal auch auf das Bauchgefühl verlassen. Das ist manchmal der richtige Weg.

Auf der anderen Seite ist das ja auch ein wenig dialektisch. Wenn eine junge Band ihre kommerziellen Chancen nicht nutzt, sind vielleicht die Mittel für die nächste Platte weg. Das ist ja oftmals gar nicht so leicht.

Dadurch, dass wir alles selbst machen, haben wir bestimmte Drucksituationen gar nicht. Man hat diese Drucksituation nicht, wie beispielsweise zu Germany´s Next Top Model oder so etwas zu gehen. Wenn dahinter was ist, wo auf Teufel komm raus Geld eingespielt werden muss. Diesen Druck gibt es aber einfach im Musikgeschäft und man kann es manchen Bands auch einfach gar nicht vorwerfen, weil man eben sehr schnell da reingerät und Geld verdienen muss, um weiterzukommen. Diese Situation haben wir nun mal einfach nicht.

Yesterday Shop wird man also auch in Zukunft nicht als Anhang auf den Laufstegen der Welt entdecken, sondern auf den Seiteneingängen. So verlief prinzipiell auch der bisherige Weg der Band: langsam, behutsam und geschmeidig. Die hohen Namen, die als Referenzen fielen (Radiohead, The Pains Of Peing Pure At Heart, Mogwai) sind tatsächlich gar nicht so abwegig. Eleganter, unaufdringlicher Pop mit leichtem Hang zum Pathos, ohne zu viel zu wollen.

„Parados“ ist auf Trickser Tonträger, dem Label der Band, erschienen.

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