The War On Drugs in Köln: Überstunden für die Nebelmaschine

Ein Konzertpublikum allein anhand eines kurzen Blickes auf Äußerlichkeiten charakterisieren zu wollen, ist ja eher plump und nichtssagend – insbesondere, wenn einem als Resümee dann nichts Genaueres als das H-Wort einfällt. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass dermaßen viele Flanellhemden im Gebäude 9 verteilt sind, dass man zumindest in der Wartezeit ein unterhaltsames Bingospiel daraus machen kann: Wer schafft es, eine Stelle am Raum zu finden, an der fünf Herren mit Karomuster ohne Unterbrechung in einer Reihe stehen?

Ich hab’s so gerade auf vier geschafft, als The Tarantula Waltz (dass der Mann einen Namen wie Markus Peter Svensson hat, hört man ihm sofort an) die Bühne betritt. In Hut und Hemd steht der Schwede vielleicht wie ein etwas gestauchter Doherty gestylt da, in seiner stimmlichen Inbrunst hat er aber eher den Vortrag eines ehemaligen Punkband-Sängers, der jetzt solo einen auf akustisch macht. Mit Ausnahme von Frank Turner sind solche ja in der Regel ganz sympathisch, und so hat Svensson zwischendurch auch eine herzliche Verneigung vor Jason Molina auf Lager.

Wer sich bis zum Ende des Sets nicht mit Getränken eingedeckt hat, sieht sich bald einem deutlich mühseligeren Weg zur Theke ausgesetzt. Der bis vor Kurzem noch von planlosen Stadtplanern bedrohte Club auf der anderen Rheinseite ist an diesem Abend komplett gefüllt, die Raumtemperatur ist nicht nur für Bandkopf Adam Granduciel bald an dem Punkt, wo er seinen Oberkörper bis aufs T-Shirt entkleidet. Aber das passt ja auch, man hat sich auf einen wolkig hallenden Gitarrenabend im Warmen eingestellt. Die schon beim vorherigen Auftritt gut aktive Nebelmaschine wird wieder lebendig, die ersten Gräserdüfte ziehen duch die Reihen … und dann stehen die Lautsprecher in Flammen.

In einem stechenden Schwall röhrt „Baby Missiles“ aus der Anlage, gellend verzerrt steht Granduciels Stimme am Rande der Übersteuerung. Nach anfänglichem Klangmatsch differenziert sich der übermäßig aggressive Sound ein wenig aus, doch es soll ein lautes Konzert werden – und ein langes. The War On Drugs spielen fast das komplette „Lost In The Dream“ und gut ⅔ von „Slave Ambient“, jedoch keinen Song vom Debüt, auf dem noch Kurt Vile mehrere Songs geschrieben hatte. Klar, denn diese Band ist mittlerweile ganz Granduciels Kind und an diesem Abend gehört ihm, halbkreisförmig umringt von seinen fünf Mitspielern, die Bühne. Manchmal ist der Schlagzeuger im Dunst weder zu sehen noch zu hören, viele der neuen Songs beginnen so mit einer Drum Machine, wie Granduciel sie auch ursprünglich alleine entwarf. Doch bald gesellt sich der Mensch in krautiger Repetition dazu, Granduciels bossig schwingende Akkordprogressionen geben dem Vorwärtsrattern hymnischen Auftrieb und der Klangfülle, in der beispielsweise das Trompetenspiel nicht immer auszumachen ist, Struktur.

Passenderweise ist in den wenigen Momenten ohne Musik oder Granduciels Publikumskonversation (Themen: die korrekte deutsche Aussprache von Edvard Munchs Nachnamen, der Zahl Zwei oder der Stadt Köln, Glück und Unglück seiner Bandmitglieder) ein Rauschen und Tuckern zu hören, das an eine Dampflok erinnert. Während The War On Drugs vorantreiben, schießen sogar kleine Rauchringe der Decke entgegen – wohl entweder durch einen gewieften Scheinwerfertrick, einen Extra-Nebelwerfer oder gar durch die Vibrationen der darunterstehenden Drums. Neben bis zu drei Synths/Keyboards, Bass, Schlagzeug und einer Trompete (eigentlich ein Saxophon, doch das wurde von der Fluggesellschaft verkramt) spielt Granduciel oft die einzige Gitarre und produziert dabei ein Tosen für zehn. Wie auf der Suche nach einer außerweltlich perfekten Tonfolge streckt er in Solos vor allem die neuen Songs noch glorreicher aus, lässt andere aber auch etwas zäh werden. Auch wenn es bei ihrem derzeitigen Aufwind unwahrscheinlich ist: Granduciel und sein Traumexpress spielen ihren lärmigen Wolken-Rock so ausführlich, als würden sie nie wieder die Gelegenheit dazu bekommen. Und die Nebelmaschine muss Überstunden schieben.

3 Kommentare zu “The War On Drugs in Köln: Überstunden für die Nebelmaschine”

  1. Ach schade, Uli. Wenn ich gewusst hätte, dass du auch dort warst, hätten wir zusammen ein Kölsch trinken können. :)

  2. Jep, hatte ich vorher gar nicht dran gedacht. Felix war auch da und hat sich zufällig den gleichen Platz ausgesucht wie ich, ich glaube sonst hätten wir uns auch nicht gesehen.

  3. Nächstes Mal wird besser geplant.

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