Sun Kil MoonBenji
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Label:
Caldo Verde
VÖ:
14.02.2014
Referenzen:
Red House Painters, The Mountain Goats, Will Oldham, Iron & Wine, Sparklehorse
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Autor: |
Pascal Weiß |
Das war nicht unbedingt zu erwarten: Mit „Benji“ ist Mark Kozelek das beeindruckendste Werk seit „Ghosts Of The Great Highway“ (2003) gelungen. In elf persönlichen Akten rückt der inzwischen 47-Jährige seine eigene Vergangenheit in den Fokus. Dabei dankt und gedenkt er derart vielen Menschen aus seinem Leben, dass man befürchten muss, dieser Rundumschlag wäre das letzte Kapitel in der Geschichte von Sun Kil Moon. Doch keine Sorge: Für November ist bereits die Veröffentlichung eines Weihnachtsalbums angekündigt.
To the place I was spawned
Going to see where I hung with my cousins and played with them in the snow
and fished in their ponds
Going to see how they’ve grown
Visit some graves and say „Hey I’ve missed you“
Es sind Sequenzen wie diese, die das großartige Vater-Sohn-Roadmovie „Nebraska“ von Regisseur Alexander Payne aus dem vergangenen Jahr erneut auf die Bildfläche projizieren. Und wer weiß: Wäre Kozelek noch ein paar Jahrzehnte weiter, könnte er vielleicht durchaus die Figur von Woody Grant verkörpern, senil und starrsinnig durch die Straßen der Vergangenheit stapfen, Hinterbliebene aus alten Zeiten treffen, die sich letztlich eher als Schatten der Figur aus den eigenen Erinnerungen entpuppen. Das Winken zum Abschied ist endgültig, fällt befreiend aus: Im Gegensatz zu so manch anderem hat man es dann doch irgendwann aus dem Heimatort geschafft und ist nicht auf ewig stehen geblieben.
Abschied auf „Benji“ hat jedoch häufig mit Ableben zu tun. Der düstere, melancholische Einstieg in „Carissa“ ist Kozeleks zweiter Cousine gewidmet, die bereits mit 15 Jahren schwanger ist, zwei Kinder großzieht und mit Mitte 30 beim gewöhnlichen Müllrausbringen einem „freak accident fire“ zum Opfer fällt und stirbt. Momente, die die Kraft haben können, Prioritäten im Leben zu verschieben, Gedanken neu zu sortieren – den Onkel erwischt es an seinem Geburtstag im eigenen Hof (ebenfalls im Feuer!), während der Massenmörder Richard Ramirez vergleichsweise gewöhnlich „wegkommt“ und eines natürlichen Todes stirbt.
Musikalisch ist „Benji“ stets abwechslungsreich: Das zehnminütige „I Watched The Film The Song Remains The Same“ oder „I Can’t Live Without My Mother’s Love“ leben von gewohnt beruhigend monotoner Gitarre. Dabei wird der bereits auf dem Vorgänger „Among The Leaves“ eingeschlagene Weg konsequent weitergedacht und umgesetzt, aus Zeilen wie „Sunshine in Chicago makes me think about my dad“ wird nun der warme Country-Vaterdank in „I Love My Dad“. Absolut hervorzuheben ist der für Sun Kil Moons Verhältnisse als Uptempo-Nummer zu bezeichnende Abschluss „Ben’s My Friend“, der Themen wie Neid und Erwartungshaltung in Männerfreundschaften diskutiert und Kozeleks gutem Freund Ben Gibbard von The Postal Service und Death Cab For Cutie gewidmet ist. Der Ausreißer auf diesem Album – nicht zuletzt auch dank der auftrumpfenden Bläser, die in ihrer abgeklärten Art und Weise ein wenig an Destroyers Meisterwerk „Kaputt“ erinnern.
The other night I went and saw the postal service
Ben’s my friend but getting there was the worst
Tryna park and getting up the hill
And find a spot among drunk kids staring at themselves
[…]Between a middle guy man with a backstage pass
Hanging around like a jackass
Everybody was 20 years younger than me
Interessant auch: Sun Kil Moon sind den früheren Modest Mouse zwischenzeitlich näher als je zuvor. Das ist insofern bemerkenswert, als dass das 2005 veröffentlichte „Tiny Cities“ ausschließlich aus Modest-Mouse-Coversongs bestand: Die quengelnden Gitarren zum Ende von „Ramirez Ramirez Died Today Of Natural Causes“ und „Dogs“ in Verbindung mit den blechernen, rasselnden Drums und Kozeleks Slacker-Momenten malen ein Bild von trostlosen Weiten, dem einsamen Menschen geblendet von der Abendsonne auf dem spiegelnden Asphalt, leeren Flaschen am Straßenrand. So weit kann der „Lonesome Crowded West“ gar nicht sein.
„Benji“ jedenfalls findet in all dem seinen Frieden, nimmt Mutter, Vater, Geschwister, Großmutter, Kollegen und Kumpel in den Arm. Ein Werk voller Rückblenden und Reflexion, mindestens so sehr Roman wie Musikalbum. „My back, it fucking hurts, but otherwise I’m fine“ hieß es auf dem Vorgänger in „Sunshine In Chicago“. Nunja, was soll man sagen, die Probleme werden sicher nicht weniger für Silver-Ager: „Got a naggin’ prostate and I got a bad back. And when I fuck too much I feel like I’m gonna have a heart attack“. Midlife-Crisis kann so schön sein.