Blogger als Lizenznehmer?

Ein Musiker stellt sich einen Musikhörer vor. Dieser wird sicherlich nie, könnte aber sehr wohl sagen:

„Du spielst in einer Band? Fein. Die Musik ist auch noch gut? Umso besser. Du möchtest gerne Geld damit verdienen? Interessant, viel Glück, denn ich mag Deine Musik. Vielleicht werde ich Dein Album ein paar Tage lang ab und zu via Bandcamp streamen, eines Deiner Konzerte besuchen, eine Platte gebraucht oder sogar neu, eventuell auch Merch kaufen und mich in einem Jahr kaum noch an Dich und Deine Band erinnern. Oder doch, das wird sich zeigen.

Da draußen ist so viel andere Musik. Hier ein Song, dort ein Download, vielleicht auch ein Video. Schließlich gibt es WordPress, tumblr, Blogger, Facebook, Twitter und all das sowie genügend Musik, um all die kleinen Blogs zu mehr als nur einer Nebentätigkeit zu machen. Das heißt nicht, ich könnte kein Fan Deiner Gruppe werden, vielleicht bin ich das bereits. Mal sehen. Und mal sehen, was diese Woche sonst noch rauskam.“

Jetzt aber Schluss mit den Vermutungen oder, genauer noch, Unterstellungen. So denkt doch keiner und erst recht redet niemand so, so handeln nur viele. Selbst wenn das Unvermeidbare, nämlich die feste Bindung an bestimmte Gruppen und Bands, nicht eintreten würde, wäre daran nichts auszusetzen. Obwohl durch einen solchen Musikkonsum niemand seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, hilft er einer kleinen Band manchmal doch in etwa dabei, eine Tour buchen und spielen zu können. Vielleicht sogar, ohne draufzuzahlen, denn die Wahrscheinlichkeit, Festgagen erhalten, steigt mit zum Beispiel 200000 Plays bei Youtube. Und wer online ausreichend präsent ist, kann womöglich eines Tages nicht nur in bewunderns- und liebenswerten Off Locations, sondern sogar in „richtigen“ Clubs auftreten – nicht in den großen Venues, in die 1000 Menschen passen, sondern Clubs, die 250 Leute fassen. Eine Garantie darauf gibt es nicht, aber die Möglichkeit. Zumindest noch.

Ah, wie dramatisch. Erst sagen, es sei hart, dann sagen „Ja, aber auch machbar“, und dann ein „noch“. Was droht denn da, dass es dramatisch werden muss?

An sich nicht viel, würde ich gerne meinen. Ich mag es nämlich keinesfalls wahrhaben und halte es für eine Schnapsidee, deren Umsetzung ausbleiben wird. Golem.de schreibt:

„Die deutsche Gema unterstützt die Forderung, dass in einem neuen Urheberrecht das Einbetten von Youtube-Videos kostenpflichtig werden sollte. Das sagte Gema-Sprecherin Ursula Goebel Golem.de auf Anfrage zu einer Forderung der österreichischen Verwertungsgesellschaft AKM (Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger). Goebel: ‚Wir sehen das wie die AKM. Einfache Hyperlinks sind keine relevante Nutzungshandlung. Ohne diese würde das Internet nicht funktionieren. Embedded Content, bei dem für den Nutzer nicht klar ist, dass die Datei von einer anderen Seite stammt, sollte hingegen lizenziert werden.‘

Ein Youtube-Video wird, wenn beispielsweise das HTML-Tag Video SRC benutzt wird, vom Browser direkt dargestellt. Das Embed-Tag für Flash ist ebenso betroffen.“

Was daran schlimm wäre, liegt auf der Hand, so dass mir erst einmal nur ‚Na, versuchen können sie’s ja‘ einfällt, weil’s doch arg hanebüchen ist. Allerdings könnte es funktionieren.

Was würde sich ändern? Wer Videos einbindet und nicht einfach nur verlinkt, müsste dafür zahlen; wie viel, ist unklar. Warum muss man zahlen? Weil man Werke nutzt, deren Urheber man selbst nicht ist. Das macht Youtube schon die ganze Zeit und es ist selbstverständlich, dass Googles Videoportal dafür Geld an die Urheber zahlen muss. Warum sollte das aber ein Blogger, der das Video einbettet, noch einmal tun?

Welchen finanziellen Vorteil haben Musikblogger durch das Einbinden von Videos? Labels und Bands zahlen selten dafür (das gibt es, aber das sind zumindest bei Blogs Ausnahmefälle). Werbeeinnahmen haben wenige, vermute ich einmal, und wenn, dann dienen sie wahrscheinlich gerade so (widersprecht mir gern) zur Deckung der anfallenden Kosten für das Hosting, für den Zeitaufwand sicher nicht. „Likes“ kann man nicht verspeisen und soziales Kapital in Sachen fancy Glitch Wave, Hauntology oder dem neuen Notwist-Video interessiert den Bäcker nicht. Das Bloggen von Musik dürfte für die meisten Selbstzweck sein und auch wenn’s dabei immer wieder Trends und Hypes gibt, macht sich das an der Auswahl der Musik bemerkbar.

Doch wäre es hoffentlich verfehlt, zu glauben, es würde der GEMA um Musikblogger gehen. Dort denkt man sicherlich an größere Seiten mit mehr Besuchern und Umsatz. Dass Bloggen dadurch erschwert bis obsolet werden könnte, wird kaum jemandem bewusst sein. Warum auch? Geld lässt sich dort nicht verdienen.

Bei professionellen Anbietern hingegen schon, denn sie haben ähnliche Interessen, unter anderem Umsatz. Anscheinend kommen deshalb selbst Musikmagazine nicht mehr umhin, über das „Dschungelcamp“ zu berichten, und das nicht, weil darin so gute Musik läuft. Sie brauchen Leser, keine Inhalte, schließlich sind ihre Kunden nicht die paar Menschen, die auf die nächste Depeche-Mode-Klickstrecke warten, sondern Firmen, die Anzeigen schalten.

Bei Musikblogs ist das anders. Ob es im jeweiligen Fall das richtige Leben im falschen ist, sei dahingestellt, aber es ist erfreulich. Würden Blogger aufhören, Videos zu posten, wenn sie erst lizenziert werden müssten? Wahrscheinlich schon, denn das kostet Geld und stiftet Verwirrung, muss doch erst festgestellt werden, ob KünstlerInnen GEMA-Mitglieder sind oder nicht. Wer in der Freizeit bloggt, setzt lieber einen Link, als umständlich zu recherchieren und zu kalkulieren.

Für Musikvideos müsste man deshalb in Zukunft bei den großen Seiten mit Lizenzierungs-Budget oder direkt bei Youtube vorbeischauen. Dort aber wird das prominent präsentiert, was eh schon bekannt ist oder beworben werden soll, denn die Kapazitäten sind begrenzt. Es könnte an diesen Orten dadurch öde und frustrierend werden, mainstreamiger und vorhersehbarer. Gut, das mag bereits heute so scheinen, aber dafür gibt es ja noch Alternativen wie Blogs.

Die Folge solcher Lizenzgebühren (die ja nicht auf das Einbetten von Youtube-Clips beschränkt bleiben müssten und sich, denn noch ist alles hypothetisch, auch auf Soundcloud, Bandcamp oder das Einbinden bei Facebook ausweiten ließen) könnten also durchaus die Blogosphäre, wie sie bisher existiert, zumindest für den deutschsprachigen Raum in Gefahr bringen.

Was die genauen Folgen wären, ist dabei nicht abzusehen. Sie dürften jedenfalls nicht zugunsten der kleineren Bands sein, die dadurch unweigerlich weniger Aufmerksamkeit erhalten würden oder aber viel mehr um sie buhlen müssten, weil ihre Videos und Songs nicht mehr einfach eingebunden oder bei z.B. tumblr rumgereicht werden. Dass irgendetwas in mir um Hoffnung bemüht ist und mich denken macht ‚Wenn dadurch der Mainstream wieder genauer definiert sein sollte, wird’s auch wieder leichter, jenseits davon Musik zu veröffentlichen‘, tut nichts zur Sache. Immerhin gibt es mittlerweile so viel Musik, dass niemand mehr nach neuer suchen müsste und gerade kleine Bands nur dadurch Beachtung erhalten, dass man auf sie hinweist. Das Bedürfnis nach unüblicher und unvorhersehbarer Musik muss geweckt werden, es ist nicht eh immer da. Wenn niemand mehr auf sie aufmerksam macht, hören die Menschen einfach andere Musik, nicht keine.

Wie gesagt, ich glaube nicht, dass es so weit kommen wird. Wer mag, kann aber trotzdem gerne bei dieser Petition auf change.org vorbeischauen.

8 Kommentare zu “Blogger als Lizenznehmer?”

  1. Guter Artikel!

    Wer kann es sich denn von den Bloggern leisten sich die Codes in Zukunft zu kaufen?
    Ich könnte es nicht und würde tatsächlich wenn dann nur noch direkt verlinken.

    Wenn die Labels oder Agenturen das übernehmen würden und für die Verteilung/Verbreitung über die Blogs etwas zahlen würden, was natürlich fair wäre…wäre das eine andere Geschichte. Aber was ist schon fair in dem Business.

  2. Lennart sagt:

    „Wenn die Labels oder Agenturen das übernehmen würden und für die Verteilung/Verbreitung über die Blogs etwas zahlen würden, was natürlich fair wäre…wäre das eine andere Geschichte. Aber was ist schon fair in dem Business.“,

    was bitte wäre für Bands ohne Budget, Agentur, Label etc. daran bitte fair? Das wäre doch, entschuldige, Unfug und nicht mehr als gekaufter Content.

  3. Ja, bei Bands ohne Budget, Agentur und Label ist das natürlich Unfug. Da ist der Weg auch ein anderer. Die teilen das sowieso meist direkt mit dem Blogger.

    Spreche eher von den größeren Bands, Labels und Agenturen die das Budget haben.

    Klar ist das dann gekaufter Content. Bestes Beispiel ist ja Facebook, wo News nicht mehr vornehmlich auftauchen, wenn sie nicht „gesponsored“ sind.

    Ich weiß nicht, aber das Problem rührt ja eben auch erst durch diesen Beschluss der GEMA. Zu verlinken oder gar kein Videocontent mehr bereitzustellen ist ja nur die logische Konsequenz.

  4. Lennart sagt:

    „Ich weiß nicht, aber das Problem rührt ja eben auch erst durch diesen Beschluss der GEMA. Zu verlinken oder gar kein Videocontent mehr bereitzustellen ist ja nur die logische Konsequenz.“, es gibt keinen solchen Beschluss.

    Und wenn Blogger die Möglichkeit hätten: Keine Videos oder „geschenkte“, wie würden sie sich wohl meist entscheiden? Es wäre einfach dumm, fatal und ginge auf Kosten der Qualität. Eine sehr, sehr schlechte Idee. Furchtbar.

    Das ist aber alles rein hypothetisch, denn wie gesagt: Es gibt keinen Beschluss der GEMA, nur so eine Art Einfall.

  5. Groschi sagt:

    „Es wäre einfach dumm, fatal und ginge auf Kosten der Qualität. Eine sehr, sehr schlechte Idee. Furchtbar.“

    Der GEMA ging es nie um Qualität. Und von den „kleineren“ Musikblogs die ohne kommerzelle Interessen betrieben werden gibt’s da auch nicht viel zu holen. Ein paar hundert plays (oder lass es auch mal ein paar tausend sein, ich weiß ja nicht was etablierte Musikblogs so an Zugriffszahlen haben wenn sie schon wieder ein The National-Video oder so was posten) sind zu wenig um den Verein wirklich zu jucken.
    In erster Linie wollen sie ein Stück vom deutlich größeren Kuchen der großen werbefinanzierten Musik- und Newsportale und -publikationen abbekommen. Die unkommerziellen Projekte würden aber natürlich als erste unter die Räder kommen, so viel ist klar.
    Das ganze wird dann noch ärgerlicher durch den allseits bekannten Umstand, dass unbekanntere, GEMA-gemeldete Künstler durch die absurd ungerechten Verteilungsgewohnheiten der GEMA da eher noch draufzahlen (weil es sich z.b. in den Gagen bemerkbar macht, der Veranstalter muss ja die GEMA-Kosten mit einkalkulieren) als etwas davon abzukriegen. Und wer kein Mitglied ist muss trotzdem den Schaden in Form erschwerter Publicity mit tragen.

  6. Lennart sagt:

    Das bezog sich ja aber auch auf die Idee, sich Posts durch Labels etc. finanzieren zu lassen. Die GEMA hat keinen künstlerischen Auftrag, klar.

  7. Anscheinend haben viele die Meldung über die etwas konkretere Stellungnahme der GEMA übersehen (ich hab sie auch jetzt erst gefunden): http://www.heise.de/newsticker/meldung/GEMA-zur-Verguetung-eingebetteter-Videos-Auf-EuGH-warten-und-Tee-trinken-2107071.html

    Das mit der Lizenzierung ist also weiterhin (und auch schon recht lange) erst mal nur die Ansicht der GEMA, keine legislative Agenda. Anders als die AKM gedenkt sie (zumindest nach nach eigenen Angaben) noch nicht, etwas hinsichtlich eingebetteter Inhalte zu unternehmen, so lange der aktuell laufende Fall dazu nicht am EuGH geklärt ist.

    Wovon man sich durchaus ein vernünftiges Urteil erhoffen kann: Für Textlinks ist dort in einem anderen, nicht ganz unähnlichen Fall gerade entschieden worden, dass diese urheberrechtlich nicht relevant sind, sofern sie offen zugänglich sind. Insbesondere der Punkt mit der Ersichtlichkeit der Inhaltsherkunft, auf den sich die GEMA stützt, ist also hier auch adressiert worden: http://urheber.info/node/369

    Damit ist die Sache für Audio-/Video-Embeds und deren Lizenzierung wohl noch nicht endgültig geklärt, aber man kann zumindest für die nächste Entscheidung hoffen, dass sich gesunder Menschenverstand durchsetzen wird. Bei Framing/Embeds ist es schließlich erst recht technisch unproblematisch für UrheberInnen, diese für die Allgemeinheit verfügbar zu machen – oder dies wunschweise nur über Lizenzierung zu erlauben (es gibt z.B. private/nichtöffentliche Embeds bei Youtube, Soundcloud, Vimeo etc.). Da braucht es nicht noch extra ein Gesetz für (nicht, dass das in der Vergangenheit Blödsinn wie das Leistungsschutzgesetz am Inkrafttreten gehindert hätte).

  8. Der EuGH hat’s bestätigt: Wenn ein Inhalt legal zum Einbinden angeboten wird (also zum Beispiel ein Youtubevideo, Musik auf SoundCloud, Bandcamp oder Spotify …), dann begeht man mit dem Einbinden keine Urheberrechtsverletzung. Damit sollte auch die Frage einer kostenpflichtigen Lizenzierung passé sein, weil hier keine öffentliche Wiedergabe geschieht.

    http://www.golem.de/news/europaeischer-gerichtshof-framende-links-sind-keine-urheberrechtsverletzung-1410-110062.html

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