„I won’t fake what is expected to succeed with album three.“ Die Krux mit dem verflixten dritten Album umgehen Touché Amoré, indem sie auf „Is Survived By“ ihre eigenen und fremde Erwartungshaltungen sowie die Probleme beim Songwriting („To Write Content“) zum Thema machen und sich außerdem mit den ganz großen Fragen beschäftigen: Was werde ich hinterlassen und woran werden sich die Menschen erinnern, wenn ich einmal nicht mehr hier bin? Dass der ewige Zweifler und Grübler Jeremy Bolm am Ende von „Is Survived By“ nicht nur Antworten auf diese Fragen, sondern auch ein klein wenig Hoffnung in diesen findet, gehört zu den großen Stärken des Albums.

Natürlich hilft es nicht unbedingt bei der Arbeit am dritten Album, wenn man mit dem Vorgänger „Parting The Sea Between Brightness And Me“ ein von Kritik und Fans gefeiertes Posthardcore-Werk abgeliefert hat, das aufgrund seiner kurzen Spielzeit von 21 Minuten und seiner emotionalen Dichte wie die Essenz dessen wirkte, wozu Touché Amoré imstande sind. Das Album stieg mit idealem Kampfgewicht in den Ring, ohne ein unnötiges Gramm Fett am muskulösen Körper: kein Füllmaterial, keine überflüssigen Wiederholungen. Doch da es unmöglich erschien, diese Kompaktheit noch zu steigern, testet die Band aus Los Angeles auf „Is Survived By“, was passiert, wenn man den musikalischen Ideen ein wenig mehr Platz zur Entfaltung und dem Hörer kurze Verschnaufpausen gestattet.

Songs dürfen neuerdings auch mal drei Minuten dauern, der extrem eingängige Refrain von „Anyone/Anything“ wird zumindest beim ersten Mal mit melodischen Gitarren unterlegt und mit „Non Fiction“ nähern sich Touché Amoré – ähnlich wie die Kollegen von Pianos Become The Teeth – dem Postrock an. Trotzdem bleibt die Ereignisdichte während der knappen halben Stunde von „Is Survived By“ extrem hoch und auch wenn die Band in manchen Momenten kurz das Tempo drosselt, leidet die emotionale Schlagkraft der Songs nicht darunter. Das liegt vor allem an Frontmann Jeremy Bolm und dessen Texten, die er dem Hörer mit viel Verzweiflung in der Stimme entgegenschreit.

Doch auf „Is Survived By“ schimmert tatsächlich ein wenig Optimismus unter dieser Verzweiflung hervor und das ausgerechnet, weil sich Bolm viel mit Vergänglichkeit und Sterblichkeit beschäftigt hat. „I was once asked how I’d like to be remembered and I simply smiled and said: ‚I’d rather stay forever.‘“ Mit diesen Worten leitet Bolm das Album ein und zum Glück begnügt er sich nicht mit der immerhin recht schlagfertigen Antwort, sondern greift die Frage am Ende von „Is Survived By“ noch einmal auf. In „Non Fiction“ wird dem Hörer zunächst mit verschiedenen Metaphern die eigene Sterblichkeit vor Augen geführt und am Ende eine so simple wie schöne Lebensweisheit mit auf den Weg gegeben: „Every love can’t always stay and the dead will soon decay. With time we’ll all be gone but how you lived can live on.“ Der abschließende Titelsong stellt dann eine Forderung an Bolm und seine Kollegen, die sie im selben Moment schon erfüllen: „So write a song that everyone can sing along to. So when you’re gone you can live on, they won’t forget you.“ Denn wir werden mitsingen und nicht vergessen.

Ein Kommentar zu “Touché Amoré – Is Survived By”

  1. auch auf die gefahr hin mich zu wiederholen: bei mir dauert es manchmal ein wenig länger und so sah ich „is survived by“ anfangs höchstens bei mitte 7.
    aber um so länger ich mich mit dieser platte beschäftigt habe, desto großer wurde sie.
    danke für den guten job, daniel, bin inzwischen voll auf deiner seite. „is survived by“ ist inzwischen ein sicher kandidat für meine jahresbestenliste.

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