IkonikaAerotropolis

Wie schon öfters erwähnt, ist es in der elektronischen Musik oft der Blick in den Rückspiegel, der den Weg nach vorne oder aus der Sackgasse weist. Derzeit scheinen dabei die 80er und 90er erneut in den Fokus zu geraten, bietet sich doch hier eine schier unerschöpfliche Zahl an Anknüpfungsmöglichkeiten. So wählten Disclosure beispielsweise Chicago House als einen der Fixpunkte für ihren Ansatz, während Walton sich an die Geschichte des britischen Hardcore-Kontinuums erinnerte. Auch Sara Abdel-Hamid alias Ikonika geht auf ihrem zweiten Album „Aerotropolis“, erneut auf Kode9s Label Hyperdub veröffentlicht, diesen Weg.

Allerdings wählt sie nochmal einen anderen Zugang, den man so in ihrem bisherigen Umfeld aus (Post-)Dubstep dann wohl doch eher nicht erwartet hätte. Zumindest die ersten Tracks auf „Aerotropolis“, nach dem einleitenden „Mise En Place“, rekurrieren ganz offen auf die Zeit, als Madonna sich anschickte ein Star zu werden und Reggie Lucas oder John „Jellybean“ Benitez an den Reglern saßen, um ihr für „Lucky Star“ oder „Holiday“ ein zeitgemäßes Bett zu bauen. Manche Basslinien klingen nach Miami Sound Machine und auch vor Miami-Vice-Kitsch wird mit unglaublichen Preset-Sounds in den Stabs nicht zurückgeschreckt. Und so ist es wieder einmal vor allem das Drum Programming, gepaart mit Abdel-Hamids Gespür für den Moment, welches das Ganze nicht zu einer puren Nostagiestunde macht und aufzeigt, dass es sich hier nicht um sagenhafte Wiederentdeckungen auf irgendwelchen lange Zeit verschollenen Master-Tapes handelt.

Mit dem kristallinen Zwischenspiel „Completion V.3“ werden die Karten neu gemischt und im folgenden „Manchego“ wird die Gangart merklich härter, House und Techno lassen grüßen, der Dancefloor ruft. „Let A Smile Be (Y)our Umbrella“ bringt Ikonika zum von Detroit geprägten Dubstep zurück, wo man sie bislang verortete, „Lights Are Forever“ spielt mit Electro. Auch der Rest des Albums zeigt, was noch so alles geht zwischen (Post-)Dubstep, Flächen-Bad, (Bleep-)Techno, Detroit-Futurismus und milder Darkness. Am Ende entlässt uns „Zen Sizzle“ nicht ganz unbeschwert, aber doch leicht euphorisch in den Morgen. Erwähnenswert ist außerdem, das Ikonika mit Ausnahme von „Beach Mode (Keep It Simple)“ fast gänzlich auf Gesang verzichtet, sowohl auf originärer als auch auf Sample-Basis.

Dass „Aerotropolis“ als Album bei aller Referenzfülle nicht auseinander bricht, liegt neben Abdel-Hamids Feingespür auch daran, dass seine Klangfarbe und einzelne Sounds (seien es Drums oder Stabs) das gesamte Album über, von den Anfängen in den Achtzigern bis ins (Post-)Dubstep-Jetzt, wiedererkennbar bleiben und so als roter Faden einen sublimen Flow über die imaginären Dekaden erzeugen.

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