Joey Bada$$Summer Knights
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VÖ:
01.07.2013
Referenzen:
Nas, Flatbush Zombies, The Underachievers, Wu-Tang Clan, DJ Premier, Souls Of Mischief
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Autor: |
Daniel Welsch |
Muss man sich eigentlich Sorgen um das Genre HipHop machen, wenn ein blutjunger MC mit völlig rückwärtsgewandter und nostalgischer Musik derart viel Lob einheimst und als Hoffnungsträger des Genres gefeiert wird? Oder soll man sich lieber kopfnickend zurücklehnen und diese gutgemachte Hommage an die goldene Ära des Ostküsten-Raps genießen?
Letztlich ist es eine Einstellungssache, wie man sich zu solchen Retro-Phänomenen verhält – somit kann auf die oben gestellten Fragen keine allgemeingültige Antwort gefunden werden. Doch auch wenn es sich in den letzten Jahren auffällig viele junge HipHopper aus New York zur Aufgabe gemacht haben, dem Rap der Mitt-90er ein Revival zu bescheren und sich mit dem Beast-Coast-Movement sogar eine Bewegung um diese Gruppen (Pro Era, The Underachievers, Flatbush Zombies) gebildet hat, gibt es insgesamt keinen Grund, sich Sorgen um die Innovation und damit die Zukunft des Genres zu machen. Dafür ist in den letzten Jahren einfach zu viel Fortschrittliches und Innovatives erschienen und zuletzt mit Kanye Wests Prog-Rap-Wahnsinn „Yeezus“ sogar mitten im Mainstream angekommen.
In jedem Fall kann man Joey Bada$$ und seinen Pro-Era-Mitstreitern nicht vorwerfen, dass sie die Ursprünge ihrer Musik verschleiern wollen oder verschweigen, dass sie zu jung sind, um diese bewusst miterlebt zu haben. Joeys letztes Mixtape „1999“ trug die Referenz bereits im Titel und auch bei „Summer Knights“ muss man nicht allzu genau hinhören, um zahlreiche Anspielungen auf die 90er zu bemerken. „Sweet dreams, stuck in the 90s/ 90s babies it’s a matter of time/ And time’s not rewinding“, heißt es im Refrain von „Sweet Dreams“ und auch der Songtitel der aktuellen Single „95 Til Infinity“ spielt in doppelter Weise mit diesem Einfluss. Einerseits verweist er auf den Souls-Of-Mischief-Klassiker „93 Til Infinity“, andererseits auf Joeys Geburtsjahr 1995.
Vergleicht man „Summer Knights“ mit „1999“ oder dem ebenfalls empfehlenswerten Mixtape „PEEP: The aPROcalypse“, das Pro Era im Dezember 2012 veröffentlichten, fällt es schwer, große Unterschiede oder Veränderungen zu benennen – lediglich der Offbeat-Track „My Youth“ mit Reggaesänger Collie Buddz fällt etwas aus dem Rahmen. Joey Bada$$ hört man an, dass er dank zahlloser Konzerte in seinem Vortrag deutlich selbstsicherer und variabler geworden ist, bei „Amethyst Rockstar“ und „95 Til Infinity“ präsentiert er sich ungewohnt aggressiv und energetisch. Insgesamt überwiegen aber die nachdenklicheren Momente auf „Summer Knights“, das mit der emotionalen Hommage „#LongLiveSteelo“ an den Pro-Era-Kollegen und Freund Capital Steez endet, der sich kurz nach Veröffentlichung von „PEEP: The aPROcalypse“ im Alter von 19 Jahren das Leben nahm. Selbst in diesem intimen Moment zitiert Joey Bada$$ einen Song von Nas‘ „Illmatic“, doch an dieser Stelle zeugt das weniger von der Sehnsucht nach einer vergangen HipHop-Ära, sondern vielmehr von dem verzweifelten Wunsch, die Zeit zurückzudrehen und das unwiderrufliche Ende einer Freundschaft rückgängig zu machen:
Or delayin‘ the plans of your mastermind.
So I hope you came across of what you had to find.
And watch over the ones you once loved.
You was my nigga when push came to shove.
One Love.“