Jagwar MaHowlin

Psychedelische Coverfarben, leiernder Gesang, Batikshirts und irgendwie auch immer der Geruch von Patschuli auf der Tanzfläche. Darf man Madchester Rave überhaupt noch zu Rate ziehen, wenn man nach Vergleichen sucht? Jagwar Ma machen aus Dingen der älteren und jüngsten musikalischen Vergangenheit auf jeden Fall ihr eigenes Ding. Wer schon länger als 20 Jahre die Ohren offen hält, kommt aber nicht umhin, bei manchem Track „das klingt ja wie …“ zu denken. Vielleicht bringen Jagwar Ma jenen, die ihr Schaffen prägten, die größtmögliche Anerkennung entgegen. Ihre Musik wirkt wach und ausgeschlafen („Uncertanity“) und kann einen dennoch wabernd davon tragen – so dreht und loopt sich „Four“ im Kreis. Die Stimme von Gabriel Winterfield schraubt sich durch den Soundtunnel und lässt den Hörer darin versinken.

Aber zurück in die Vergangenheit. Tracks wie „Do You Have To bringen das Surfbrett und die Beach Boys in greifbare Nähe, während das knarzende „Exercice eben jene schon erwähnte Ravezeit wieder aufleben lässt, die noch den Soup Dragons und nicht dem pumpenden Beat ohne Stimme gehörte. Auch Jagwar Ma kommen lange Strecken ohne richtigen Gesang aus, eher durchschreitet man mal mit Vögeln und Windrauschen bestimmte Albenetappen. Obwohl nur knapp über vier Minuten lang, wird so auch „Exercise tatsächlich zu einer Übung in der Vereinbarung des scheinbar Unvereinbaren. Es könnte billig werden, hier auch noch Drums hinzufließen zu lassen, die metallen nach umgekippten Aschetonnen klingen – tut es aber nicht. Jagwar Ma wohnt ein Geheimnis inne. Das größte ist wohl das ihrer Herkunft, denn auf Anhieb verortet man diese Sounds nicht in Australien.

„Man I Need“ lässt jene Epoche aufleben, in der es fast ein Muss war, Klänge aus fremden Kulturen, bevorzugt aus dem indischen Subkontinent, zu integrieren. „The Only One I Know“ von den Charlatans könnte ein Zwilling dieses Stückes sein, wenngleich ein bei der Geburt getrennter, denn Jagwar Ma kopieren nicht. Sie retten es hinüber: Das Fröhliche, Unbedarfte aus dieser Zeit, in der Städte wie Manchester noch eine große Rolle spielten, die Spielfreude und Freude am Klangexperiment, das nie zu technisch wird, sich aber vieler technischer Raffinessen bedient. Jagwar Ma liefern Musik mit Herz, und das ist nicht selten dem Gesang Winterfields geschuldet. Dieser fügt sich in die Stücke ein, ohne sie zu bestimmen, aber er gibt ihnen die nötige Wärme, die vor allem Songs wie „The Loneliness“ dann doch recht klassisch instrumentalisiert durchflutet. Irgendwie schleicht sich das Gefühl ein, dass hier Pilzköpfe wieder in Mode kommen.

„Backwards Berlin“ schließt dann aber sehr zeitgerecht und holt wieder in das Hier und Jetzt. Verloren durchschreitet man mit den beiden Australiern die Hauptstadt, die so vieles bietet und dennoch auch in der Lage ist, gar nichts zu geben, wenn man sich verliert. Fragmentartig geht es in den ersten Minuten zu, doch der Song fängt sich, so wie Jagwar Ma immer wieder fangen und durch neue Arrangements vertrauter Elemente Sicherheit geben, ohne zu langweilen. Wer sie vor dem Genuss ihres Albums live sah, kam nicht umhin, begeistert verwirrt zu sein, so irrwischartig ist ihre Performance. Das sortierter angelegte Album hingegen ist in der Lage, alle Facetten dieser Band auf Hochglanz zu polieren und nahbar zu machen. Rave in seiner besten Form, mit leisen Tönen und viel Raum für Geborgenheit – was paradox klingt, gelingt Jagwar Ma ohne Widersprüche.

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum