Es ist, was man will, das es ist: Der Techno von Mark Stewart spielt mit Leerstellen, emotionaler Tiefe und einem Grenzgang zwischen Klub und Kopfhörer. Seit  gut zehn Jahren entwirft der Engländer nun schon seinen Sound, der seinen vorläufigen Höhepunkt beim überragenden Vorgänger „Metanarrative“ fand. „Reform Club“ schließt daran sanft erweiternd an, arbeitet ebenso detailliert, entzieht gleichweg dem Klang aber etwas Süße und Verspieltheit. Neumodische Abschweifungen in Richtung Dubstep oder Elektronika werden vermieden, Anbiederungen an Tagestrends finden nicht statt. So erscheint dieses Techno-Album in sehr klassischem Korsett.

Mit akustischem Widerhall erforscht Claro Intelecto das urbane Lebensgefühl. Zunächst noch wechseln sich die Tracks etwas holprig ab, schwingen von ruhigen, repetiviten Phasen zu eher kompromisslosen Tanz-Titeln. Erst im Laufe des Album erschließt sich, dass sich dieses Album anscheinend die Adhäsionskraft von Gegensätzen als Leitfaden vorgibt – je öfter man es hört, desto schlüssiger gerät die Abfolge und gewinnt der Reiz des Gegensätzlichen. „Reformed“ nimmt sich dabei noch etwas zurück, entsagt der Maximalität durch schlurfende Perkussion und melodische Flächen. Danach geht es rund! Nach dem Trockeneis-Brecher „Blind Side“ schiebt er das melancholisch zerfließende „Still Here“ hinterher, das sich introspektiv zeigt. Zunächst baut sich der Track mit dubbigen Akkorden und aufgeplusterten Bassfrequenzen auf, zerfließt aber schnell und weckt mit schwelenden Synthie-Flächen und klopfenden Beats Erinnerungen an das wundersame „This Bliss“ von Pantha Du Prince.

Überhaupt ist „Reform Club“ besonders stark von den sphärischen Flächen geprägt, die durch den akustischen Raum schweben und die Platte elegant und manchmal reserviert wirken lassen. Im Grunde ist dieses Werk sogar immer ein bisschen wehmütig. Das beweist auch der Abschluss-Track. Das zerpflockte Klavier bei „Quiet Life“ darf nur kurz ran, bevor die Ohren wieder mit rauschenden und wolkenverhangenen Ambient-Flächen vollgeheult werden. Aufs Schönste.

Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass es hier nur dezent zugeht: „Night Of The Maniac“ heftet sich mit sturem Puls und stringentem 4/4-Takt zunächst direkt an technoiden Minimalimus, raschelt in der Mitte ein bisschen mit den Hi-Hats und lässt dann die Slap-Beats los. Zum Ende hin wird die klassische Prägung noch ein bisschen mit dickbäuchigen, aufgedunsen-hohlen Bässen abgefedert. So einen Track könnte man sich auch von The Field gut vorstellen. Gleiches gilt für „It’s Getting Late“, das auf sich exzentrisch-zickige Hi-Hats und in sich ruhende Ambientflächen vereint.

Das In-Album-Dimensionen-Denken erscheint bei Claro Intelecto fast schon wie ein Ritual. Auch wenn der Vorgänger in sich stimmiger erschien, geht sein Konzept abermals auf. Viele Tracks sind keine Klub-Songs, oftmals fehlt ihnen die akkurate Ausrichtung für das Parkett; sturen Bass-Workout findet man woanders. Die innere Balance und hohe produktionstechnische Eloquenz sind die großen Stärken des Album: Bei allem Schüttelfrost der Hi-Hats und dem steten Fluss der Beats wirken die Songs nie aufdringlich, sondern gewinnen durch Eleganz eine ganz eigene Aura. Diese ist nie tatsächlich organisch und doch ebenso wenig unterkühlt – eine Gratwanderung, die hier mit Bravour gemeistert wurde.

Verspielt sind auch die Songentwicklungen, die oftmals einen Bogen spannen und nicht da landen, wo sie angefangen haben. Claro Intelecto deutet Erzählungen an, schweift ab und verliert sich auch gerne mal im dynamisch wabernden Nirgendwo. Solche Ruhepole sind ihm gegönnt, sind sie nur Auftakt zu weiteren Explorationen in Kopf, Bein und Herz.

80

Label: Delsin

Referenzen: Efdemin, Pantha Du Prince, The Field, Pendle Coven, Andy Stott

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VÖ: 30.03.2012

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