The ShinsPort Of Morrow
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Referenzen:
Broken Bells, Band Of Horses, Death Cab For Cutie, Someone Still Loves You Boris Yeltsin, The Beach Boys
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Autor: |
Kevin Holtmann |
Mit den einfachsten Mitteln supergute Dinge erreichen ist immer etwas Feines. So lässt sich aus einem bloßen Blatt Papier auf wundersame Weise ein toller Origami-Kranich falten, mit dem man dann das Mädchen des Herzens beeindrucken kann. Vorausgesetzt, das Mädchen steht auf selbstgebastelten Kram.
Auch toll: Mit einfachen, aber sehr, sehr schlüssigen Songs Herzen höher schlagen lassen. Die Meister darin waren und sind nach wie vor The Shins. Sie haben das Patent auf brillante Dreiminüter und stellen dies mit jedem neuen Album eindrucksvoll unter Beweis. Auch die vierte Platte „Port Of Morrow“ muss sich dahingehend nicht verstecken, auch wenn die Vorgänger übermächtig im Sonnenlicht zu strahlen scheinen.
Friedlich-harmonisch ging es hinter den Kulissen jedoch nicht zu. Ober-Shin James Mercer wechselte in Magath-Manier seine Mitspieler aus, holte sich in der Folge mehr oder weniger bekannte Gesichter in seine Band. So sitzt seit Kurzem Joe Plummer hinter den Drumkits, der sonst bei der anderen großen US-Indie-Institution Modest Mouse trommelt. Die zwischenzeitlich eingewechselten Eric D. Johnson (Frontmann der Fruit Bats) und Ron Lewis (Fruit Bats & Grand Archives) sind hingegen schon wieder Geschichte. Dass The Shins natürlich trotzdem vielmehr sind als der VfL Wolfsburg des Indiepop, davon zeugt „Port Of Morrow“. Hier steckt schließlich so viel Seele, Herzblut und Fingerspitzengefühl drin, dass es für ein Triple locker reichen würde.
Freilich muss sich ein Album wie „Port Of Morrow“ auch mit den fantastischen Vorgängern messen lassen. Das ist natürlich unfair, da Platten wie „Chutes Too Narrow“ nicht ohne Grund schon jetzt Kultstatus genießen. Die mittlerweile vierte Shins-LP kann die Latte nicht höher legen, doch die zehn neuen Stücke haben durchaus ihre eigenen, feinen Qualitäten. Sie wirken alles in allem etwas kohärenter, The Shins malen nicht mehr ganz so bunt wie einst, gehen nicht jeder hanebüchenen Idee nach. Die Hitdichte wurde dadurch gesenkt, „Port Of Morrow“ ist mehr denn je zuvor ein Album-Album, das man von vorne bis hinten durchhören sollte. Kein neues „Phantom Limb“ oder „New Slang“, welches sich mit aufgeblasenen Backen und aufgerissenen Augen in den Weg stellen könnte.
Das Album beginnt regelrecht unspektakulär mit dem zurückgenommenen „The Rifle’s Spiral“. Ein Stück aus dem Lehrbuch monarchischen Gitarrenpops, völlig unaufgeregt, ironiefrei, herzlich. Etwas verhaltensauffälliger erscheint da schon der bereits vorab bekannte „Simple Song“, liebäugelt dieser doch mit großzügigem MOR-Feeling. Und zwar im wahrsten Wortsinn: Hierzu sollte man im Cabrio über Landstraßen fahren. Oder zumindest in Gedanken mit dieser Idee spielen, während man auf dem alten Drahtesel im regnerischen März zur Arbeit radelt.
Im Verlauf der LP wohnt man großen Refrains („It’s Only Life“) und flinken Gitarrenbeats („Bait And Switch“) bei, manch ein Song wirkt sonnig-frech, andere heben die nachdenklich-melancholische Seite James Mercers hervor. So halten diese beiden Pole sich die Waage, „Port Of Morrow“ lebt von dem Wechsel der Gefühlslagen. Extrem wird es indes nie. In der zweiten Albumhälfte verstecken sich einige kleine Perlen, die das Potential haben, sich zu Lieblingen zu mausern. Genannt werden sollten an dieser Stelle das locker-flockige „No Way Down“ mit seinen sonnendurchfluteten Gitarren. Das Lied ist in seiner positiven Grundstimmung bereits für das noch zu erstellende Urlaubs-Tape vorgemerkt.
Nachdem man sich die Sonnenbrille zurecht gerückt hat, darf man sich ferner an „Fall Of 82“ erfreuen, dem Bläsereinsätze einen sympathischen Charakter verleihen. Das abschließende Titelstück versteht sich hingegen als ruhiger Indiepop-Unterwasser-Blues. Alles fließt vor sich hin, fließt ineinander, Mercers Vocals werden von den Instrumenten verschluckt. Hätte also auch gut auf das letzte Werk, „Wincing The Night Away“, gepasst. The Shins laufen auf „Port Of Morrow“ nie Gefahr sich selbst zu überholen, auch wenn es – wie im Abschluss-Song – einmal sechs Minuten dauert. Ab und an benötigen eben auch die einfachen Dinge ihre Zeit. Oder hat von euch schon einmal jemand versucht, einen verdammten Origami-Kranich in unter sechs Minuten zu falten? Nein? Da habt ihr es.
Label: Columbia
Referenzen: Broken Bells, Band Of Horses, Death Cab For Cutie, Someone Still Loves You Boris Yeltsin, The Beach Boys
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VÖ: 16.03.2012
Da hab ich mich fast wirklich drauf gefreut. Neue Shins, da muss man sich doch drauf freuen! 74% vom Kollegen zudem. Und dann kommt das Teil einfach nicht ausm Quark und versandet im Mittelmaß. Vier gute Songs, Rest bestenfalls unangestrengt nett. 60% von mir. Und da ist schon die Shins-Brille aufgesetzt.
..noch nie hatte ich nach dem ersten Durchhören eines Shins-albums schon ab der Hälfte das Verlangen, wieder auszumachen..schade! Ich gebe dem ALbum aber noch ein paar Momente, bevor ich es noch zu Unrecht verurteile..