Nathan (VII): It’s All Too Much

‚Das wäre dann der Konkurs, Bankrotterklärung, Konkurserklärung … so in der Art, Konkurs, ja. Konkurs? Kurier, Kurie? Oder laufen? Zusammenlaufen … ach, warum nicht fließen, rinnen. Wellen …‘
Von denen gab es einige. Ihnen ging eine komische Logik voraus: „Bin ich berauscht, was macht es dann schon, wenn ich mich berausche? Morgen kommt ja sowieso. Morgen sieht mich wieder, sieht mich berauscht, betäubt, angeschlagen. So oder so.“
Und dann noch schlechte Sitten. Ein Mensch, der sich eigentlich ja keine Drogen gönnt, weil er ja, so denkt er, trinkt, was schon ausreichend sei und ihn gegen andere Verlockung feien würde. Damit ist er zufrieden und hegt keinerlei Befürchtungen, seine Zufriedenheit könnte erschüttert werden. Er trifft auf alte Freunde, die mögen mehr als Alkohol und mögen auch den Tausch. Was tun? Bier trinken beide Seiten, da lässt sich schlecht tauschen, aber es kann geteilt werden, erst einmal Bier auf der einen Seite, die andere hat eben Drogen. Die man dann mal, einmal, nimmt, was stimmt, oft ist’s nicht, und es gibt ja keinen Zwang, sie reizen nicht, sind verzichtbar. Also können sie angenommen werden, vielen Dank! Aber macht das den Rausch geringer? Nein, Trugschluss, nicht einmal das.
Welche Überlegungen gingen dem sonst noch voraus? Nathans ganzer Tag, Park, Wanne, Konzert, jetzt der Pudel, der goldene. Müdigkeit. „Freedom’s just another word for nothing left to lose“, sang einst die tote Hippiefrau … Hippies. Pah.
Der Park, ganz weit weg, aber immer wieder da … derselbe Tag, klar. Morgen ist nach dem Schlaf, und der kommt gewiss. ‚Dachte ich auch vorher dran,‘ so der denkende Nathan, ‚Angelaufen kommen, der Schlaf, in Wellen … muss man denn so lange munter bleiben, trinken? Na, und dann kann man nicht die Augen aufmachen, sich nicht bewegen, sonst kommt dieser Sturz zwischen zwei Hochhäusern, gefühlt. Kitzel wie hoch oben, beim Schaukeln, das Schwingen … furchtbares Gewusel. Nur dauerhafter in mir, ach, verdammt. Eine Limo. Ja, das aber, aber das Aufstehen. Lieber die Augen schließen, auf den Lidern bilden sich kleine Pfützen, Krabbeltierchen gleich und scheinend … Tiefseetiere.‘
„Na, alles okay“
„Mhm? Ah … ach, Lisa! Dich hatte ich gesucht, war aber so voll, ähem … da drinnen, und ich bin echt geschafft … ziemlich durch, und da dachte ich, wenn Du rauskommst …“
„Na, wenigstens damit hattest Du recht, ich war die ganze Zeit tanzen … und Du? Gepogt?
„Nee … das war gesittet.“ Es wird genuschelt, er hört ihn nicht gerne reden, diesen, ach, sich selbst halt.
„Na, wenn Du beim Konzert schon so drauf warst wie jetzt, dann wäre das auch unverantwortlich gewesen …“
„Nee, also, traf noch ein paar, also ich traf noch ein paar alte Bekannte, und die luden mich, tjoa, ein.“
Lisa hätte es sich aussuchen können, die vertrödelte Verabredung gerade, der merkwürdige Aufbruch vorhin. Und sein Zustand, klar. Einfach so weggehen und nicht drüber reden? Geht das?
„Na, also eigentlich wollte ich sauer auf Dich sein. Hast aber Glück. Die Musik ist zu gut.“
„Mhm … ganz gut.“ Schläfriger Depp. Sieht keine Brücke, wenn er über sie trampelt.
„Ähem, alles okay bei Dir?“
„Ich darf bloß die Augen nicht öffnen, dann ist alles gut …“, sprach’s mit beinahe geschlossenen, trockenen Lippen im gesenkten Kopf. Da war nur noch ein Kopf, keine einzelnen Sinne, der Kopf und sein Gewicht. „Alles gut ansonsten, ja …“
‚Das sind nun aber zu viele „…“, meinst Du nicht?‘ Sagte das Lisa? ‚Wohl eher kaum, sie liest nicht meinen Kopf, während ich spreche, und hören, wie sollen denn „…s“ klingen …‘ Driftende Gedanken, Nathan, komm mal klar. Was Lisa denkt, läse sich so: ‚Der ist ja richtig durch …‘ Siehste. Auch bei ihr gibt’s drei Punkte.
„Na, jedenfalls bin ich froh, Dich zu sehen, weißt Du das? Naja, hörst es ja zumindest, reicht ja, musst mich nicht angucken, wenn Du nicht kannst …“, sprach sie und ging ab.
Dann aber kehrte sie mit Wasser wieder, in seinem Glas strahlender als jede grüne Flasche, ja, Trinken ist’s, wie schön. Den Kopf erst heben, nachdem sich das Glas in der Hand befindet, die Zeitspanne dazwischen: unbekannt. Empfunden wird sie als zu lang, der Oberkörper also muss aufgerichtet werden, sonst fällt’s, trinken. Irgendwann wird es notwendig, den Kopf in den Nacken zu legen, dann ist er oben, dann stellt sich der Blick wieder ein. Ziemlich gut, sehr hell, viel zu sehen, das hebt die Lautstärke.
„Mhmmmwwwie spät ist es?“
„Halb 6.“
„Mist, und ich saß die ganze Zeit hier?“
„Naja, zumindest, als ich Dich hier fand, so vor 10 Minuten. Willst Du nach Hause?“ Da steht er im jungen Morgen und wackelt fröstelnd. Klar.
„Wir … ich bring Dich noch ein Stück, oder Du mich … wie war die Musik?“
„Magical Mystery Tour“ von den Beatles erschien 1967 via EMI, „Yellow Submarine“ 1969 auf Apple Records.