Laura MarlingA Creature I Don’t Know
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Referenzen:
Joni Mitchell, Leonard Cohen, Emily Jane White, Joanna Newsom, Kristin Hersh
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Autor: |
Carl Ackfeld |
Wenn man 21 Jahre alt ist und bereits sein drittes Album veröffentlicht, das mindestens das Prädikat „wertvoll“ verdient, darf man so einiges. Zum Beispiel bereits das Eröffnungsstück „The Muse“ vom neuen Album „A Creature I Don’t Know“ als rhythmisiertes Blueskunststück zu Gehör bringen. Reif klingt das, erwachsen und gesetzt. In Zeiten, wo selbst arrivierteste Musikerinnen nach immer neuen Darbietungsvarianten streben, braucht Marling das nicht. Hier muss keine App herhalten, um dem Album Halt zu geben, auch Familienmitglieder werden nicht zum Stelldichein geladen, geschweige denn nach neuen Vertriebswegen oder musikalischen Zusammenhängen gesucht.
Wenn „Don’t Ask Me Way“ wie ein alter Freund keck im 6/8-Takt angerauscht kommt, fällt zum ersten Mal auf, wie stilsicher die immer noch blutjunge Musikerin mit ihren musikalischen Gaben umgehen kann. Die Stimme, zwar nicht mehr unschuldig und naiv, bekommt dennoch genügend ungestüme Schlagseite, um nicht zu erwachsen zu wirken. „Where did our love go, you will never know“ spukt sie in „The Beast” mit wahrhaft harveyeskem Timbre vor sich her, begleitet von Unheil verkündenden Gitarren, die sich wie Dornenzweige um die Sängerin legen. Ob das autobiographisch ist? „Night After Night“ sicherlich zumindest zum Teil, vergangene Liebe spielt dort nämlich keine Nebenrolle mehr. „My darling, I loved you, I long to become you, and know what it is that you gave” singt sie dort und fügt sich der sehr an „Famous Blue Raincoat” erinnernden Melodie. Überhaupt orientiert sich Marling sehr an den großen amerikanischen und kanadischen Folkepen: hier eine Prise Joni Mitchell, dort eine Spur Leonard Cohen, gerne ein wenig geisterhaft vorgetragen, bisweilen sogar mit soviel erzählerischer Spielfreude, dass Joanna Newsom von Ferne winkt.
Doch wo andere Musiker entweder die verletzliche Elfe darstellen oder zum tanzenden Derwisch werden, beherrscht Marling den Spagat zwischen beiden Spielarten und lässt das vor allem im kämpferischen „Sophia“ aus. Tänzelnd, mit traditionellem Folkinstrumentarium ausgestattet, breitet sich die Sängerin inmitten Mädchenchören aus, die sich auch im abschließenden, mit viel Empathie vorgetragenen „All My Rage“ wieder finden.
Das dritte Solowerk der Engländerin ist beinahe schon zu gut für die junge Künstlerin, fast mag man vor Ehrfurcht erstarren, ob solcher intimen Kostbarkeiten wie „I Was Just A Card“ oder dem weisen „Salinas“. Dass man es nicht tut, liegt einzig und allein an Marling selber. Mit „A Creature I Don’t Know“ legt sie die Messlatte so hoch, dass man sich den Anlauf, sie erneut zu überspringen, selbst wählen kann.
Label: Cooperative
Referenzen: Joni Mitchell, Leonard Cohen, Emily Jane White, Joanna Newsom, Kristin Hersh
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VÖ: 23.09.2011