The Mountain GoatsAll Eternals Deck
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Referenzen:
The Extra Glenns, Neutral Milk Hotel, Bill Callahan, Silver Jews, Smog, Simon Joyner
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Autor: |
Carl Ackfeld |
John Darnielle ist mit Sicherheit einer der kreativsten Texter unter der Sonne. Standen auf dem letzten Album Bibeltextfragmente im Zentrum, gerät „All Eternals Deck“ eher zu einem bunten Inspirationsmix, der mit Vampiren, Cowboys, Wölfen und Skorpionen sowie einem spinnerten Männerchor vortreffliches Hörkino bietet.
Bei dem Tempo, in dem die Mountain Goats Alben veröffentlichen, könnte man John Darnielle durchaus den Ausverkauf seiner Ideen vorwerfen. Muss man aber nicht, denn nach den guten, wenn auch nicht herausragenden Vorgängern findet er wieder Anschluss an seine Großtaten aus den frühen 2000ern. Mit vier verschiedenen Produzenten, darunter dem ehemaligen Morbid-Angel-Gitarristen Eric Rutan, lässt er auf „All Eternals Deck“ wieder mehr die Sau raus, ohne allerdings die lyrische Lagerfeuerromantik des großartigen „The Sunset Tree“ zu vernachlässigen.
Besonders gelingt ihm das mit Streicherunterstützung, wie beim melodramatischen „Age Of Kings“, das sich wie ein Fiebertraum aus den meistens nur mit Akustik-Gitarre und Schlagzeug begleiteten Stücken heraushebt. Wie hier die Gratwanderung zwischen gelebter Emotion und gleichzeitiger Nüchternheit in den Worten Darnielles nachhallt, so gestaltet sich der gesamte Spannungsbogen auf dem wahrscheinlich abwechslungsreichsten Album seines Schaffens.
Neugierig macht er sich auf dem Album daran, dem Alltäglichen seine Geheimnisse zu entlocken, wie wenn er bei „Estate Sale Sign“ den Dingen auf den Grund geht: „Try to see if secrets burn, when you hold them up into the light“. Er ist ein Forscher im Kleinen, der aufdeckt, aber auch keine Angst hat, den Zuhörer im Dunkeln tappen zu lassen. Tierische Metaphern, die schon auf früheren Alben wundersame Sprachbilder erzeugten, entwerfen fast schon szenische Bilder, die den Filmcharakter des Albums noch verstärken. Licht und Schatten sind allgegenwärtig. Ein ständiges Flackern und Flimmern erfüllt die Szenerie wie bei einer nostalgischen Filmvorführung und blitzt vor allem im mit Männerchor begleiteten „High Hawk Season“ auf, wo Darnielle „We are young supernovas and the heat’s about to break“ feststellt und somit selbst zum Teil seiner eigenen Vorstellung wird.
„All Eternals Deck“ sorgt zu jeder Zeit für dieses Hör- und Kopfkino, das trotz der neuen Vielfalt von eingesetzten Instrumenten meist intensiv und andächtig bleibt. Die Ausbrüche, die Darnielle wagt, sorgen aber dennoch genau dann für den richtigen Kick, um eben nicht in Konventionalität zu versinken. Mit dem beschwingten „Prowl Great Cain“ und dem expressiven „Outer Scorpion Squadron“ bestimmt er die Grenzwerte, in denen sich die anderen Stücke einordnen lassen, so dass ein sehr runder und gleichmäßiger Fluss entsteht. Doch es sind vor allem Stücke wie das vorab veröffentlichte „Damn These Vampires“ oder „Never Quite Free“ (das sich schon jetzt anschickt, ein Klassiker im über 500 Songs umfassenden Gesamtwerks des Musikers zu werden) die auffallen, da diesen trotz allen Hangs zur literarischen Dunkelheit ein heller Funke entspringt.
John Darnielle möchte auf „All Eternals Deck“ vor allem eins: die Spanne zwischen Hell und Dunkel verwischen und jeden einladen, sich darauf einzulassen. Dass dabei die Grenzen zwischen Gut und Böse nicht immer gradlinig verlaufen, wird gerne billigend in Kauf genommen, besser noch: geschickt als Stilmittel verwendet, um dem ablaufenden Film noch ein paar aufblitzende Farbtupfer zu gönnen.
Label: Tomlab
Referenzen: The Extra Glenns, Neutral Milk Hotel, Bill Callahan, Silver Jews, Smog, Simon Joyner
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VÖ: 01.04.2011
„Estate Sale Sign“ hat das Zeug zum neuen Psalms 40:2 :)
Hehe, Felix, den Gedanken hatte ich auch. Habe mir schon vorgestellt, wie Du den Text beim Geldabheben versehentlich laut mitsummst.
Sagt mal, kann es was Schöneres als diese Combo geben?
http://www.rollingstone.com/music/news/the-mountain-goats-perform-wry-uplifting-indie-rock-in-concert-20110329