Der Liedschatten (13): Ivo Robić: “Mit 17 fängt das Leben erst an”

Liebeskummer ist die hohe Kunst des schadlosen Leidens, immerhin ist ja nichts wirklich Furchtbares geschehen. Man wurde verlassen, betrogen, enttäuscht, vielleicht auch von sich selbst und seinen Hirngespinsten, ist zumindest verliebt und wurde zurückgewiesen. Seine Folgen sind harmlos, er führt zu Wut, Angst, Appetitlosigkeit, Isolation, Antriebslosigkeit und manchmal auch Ärgerem, aber schlimm ist all das nicht wirklich, vergleicht man ihn mit den Folgen so mancher Beziehung. Eine Lebenslüge erwächst nämlich nur dann aus einsamem Liebesleid, wenn man eh zu Paranoia, Stalking und Beziehungssucht neigt, der sicherere Weg zu einer solchen aber ist die Zweisamkeit.

Ein kurzer Exkurs oder: Love Will Destroy Us In The End

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es sollen nun an dieser Stelle auf keinen, gar keinen Fall irgendwelche dummen Ausführungen über schlimme Ehefrauen, Pantoffelhelden und Schwiegermütter folgen, die nämlich gehören als Stereotypen in die Folklore. Schließen Sie bitte auch Missgunst als Motivation aus, wenn der Autor nun verlauten lässt: Was als Idee der erfüllten Liebe so durch die Köpfe der Menschen geistert, ist schlimm. Klar, es gibt glückliche, verliebte Menschen und glücklich und verliebt sollen sie auch sein und bleiben. Woran das aber jeweils liegt, lässt sich nicht sagen, erklären oder gar lehren.

Versucht wird es aber trotzdem nur allzu oft, ein in diesem Zusammenhang möglicherweise vorkommender Begriff ist der der „Seelenverwandtschaft“.  Nun, gehen wir einmal davon aus, dass es unter all den Menschen da draußen den oder die RichtigeN gibt, den Einen, die Eine, wie auch immer. Ist das ein tröstlicher Gedanke? Alles grau, karg, boshaft, und dann ein Mensch, der verständnisvoll zu einem steht, das trockene Brot der Existenz durch mitfühlende Tränen netzt und würzt? Kann man da nicht direkt ein wenig Hoffnung hegen, dass der ganze Quatsch hier doch nicht umsonst ist?

Also: Da draußen sind ungefähr 7 Milliarden Menschen und unter ihnen ein ganz, ganz besonderer, mit dem man sein Leben verbringen möchte. Mir macht diese Vorstellung Angst, außerdem ist sie anstrengend und setzt unter Druck. Denn, Trommelwirbel und pardauz!, man verliebt sich hin und wieder. Frage: Handelt es sich dabei um diesen Menschen? Allgemein erwartete Antwort: auf jeden Fall! Wer jetzt noch zweifeln kann, ist nicht verliebt und wer verliebt ist, tut alles, um den Menschen bei sich zu behalten. Da entdeckt man plötzlich völlig neue Reize an AutorInnen, deren Bücher bisher noch nie reizvoll waren, entwickelt eine spontane Begeisterung für Genres der Popmusik, deren Namen man nicht aussprechen kann und ähnliches (es mögen ja nicht alle Menschen Bücher und Musik), wird  kurzum gemeinsam und füreinander opportunistisch, und hach, ist das anregend, aufregend, erregend!

Man kommt zusammen, erlebt einen Alltag, wird enttäuscht und macht sich Vorwürfe, da man dem gegenseitigen Ideal dann doch nicht entspricht und hat jetzt drei Möglichkeiten: sich abfinden und nicht mehr an die Liebe glauben, sich in ein Doppelleben mit Affärchen stürzen oder aber Trennung. Die beiden ersten Möglichkeiten rufen Biestigkeit hervor, die dritte kann Herz und Verstand auf zweierlei Weise zerknittern, misstrauisch und menschenscheu machen oder aber eine erneute Suche nach DEM Menschen verursachen. Und dann geht der ganze Quatsch von vorn los, bis Fall eins (Liebe abschreiben) oder zwei (Doppelmoral) als die angenehmere, weniger aufreibende Option erscheinen.

Und warum all das Unglück? Weil die Menschen an die Liebe glauben, die romantische Liebe, wie sie in der Literatur, dem Fernsehen, aber auch in Liedern auftaucht. Die Liebe dort ist meist eine Himmelsmacht, etwas Höheres, Verklärendes, Ewiges, etwas, nach dem zu streben wert ist, für das man bereit ist oder nicht bereit ist, das sich durch Accessoires und Attribute beschwören lässt, ein Zustand, der nur das „Ja!“ oder „Nein!“ kennt, aber nichts von Zwischenräumen, Zweifeln, Angst und einfachem Begehren wissen möchte. Eine Ideologie wie die der romantischen, erfüllten Liebe macht blind für das, was im Leben und auch in der Liebe wichtig ist: das möglichst menschenwürdige, verantwortliche Wahrnehmen einer Menge an Möglichkeiten, ein Leben mit der Pflicht und Zumutung, stets irgendetwas tun zu können und zu müssen und der Hoffnung, am Ende trotzdem noch heil davon zu kommen.

 

Ivo Robić “Mit 17 fängt das Leben erst an”, März 1961 

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 „Mit 17 fängt das Leben erst an“ von Ivo Robić ist, wer hätte es gedacht, eine Neubearbeitung, und zwar des The-Drifters-Songs „Save The Last Dance For Me“, dem größten Hit der amerikanischen Vokalgruppe. Letztere waren eine einflussreiche Band, der unter anderem Ben E. King angehörte, Robić selbst war zumindest bereits im damaligen Jugoslawien ein Star. Von einem Überraschungshit kann also nicht die Rede sein.

Ein wenig unverständlicher als der Erfolg des Stückes ist sein Text, obwohl dessen zentrale Aussage, das Leben würde mit 17 erst beginnen, den damaligen „jungen Leuten“ gefallen haben mochte. Und warum fängt das Leben erst jetzt an? „Du wirst rot – wenn ein Mann zu dir sagt, daß er Tag und Nacht  nur an dich noch denkt.“ heißt es, und weiter „Doch nimm das alles nur nicht so schwer und denke stets daran: Mit 17 fängt das Leben erst an!“ Was genau soll das bedeuten? “Na na, nicht rot werden, es geht jetzt gerade erst los, das wird dir noch ständig passieren, das Gesäusel, so ist das Leben!“?

Schauen wir doch einmal weiter in den Text. „Denn du weißt noch nicht, was Liebe ist / weil dein Leben erst begann / später sieht das alles anders aus / liebst du erst einen Mann“. Mhm. Ein „denn“ sollte doch besagen: Achtung, jetzt wird etwas erklärt, warum fängt das Leben erst mit 17 an? Weil man noch nicht weiß, was Liebe ist, alles klar. Aber mit 16? Wusste man es denn mit 16, oder 13? Entweder ja, dann hat man’s mit 17 vergessen, was ein wenig traurig wäre, oder aber nein, dann hätte das Leben ruhig auch schon mal eher beginnen können, nicht erst im 18. Lebensjahr. Aber ganz wichtig hierbei: das Leben beginnt erst mit der Liebe zum Mann, anders kann die Frau ja gar kein Leben führen, das steht fest, sie ist zum Manne gehörig und vor dem (beinahe) heiratsfähigen Alter nicht existent und weiß von nichts, solange sie zu keinem Herrn aufschaut.

„Wenn du weinst – weil du plötzlich erfährst, daß derselbe Mann eine andre küßt […] Dann nimm das alles nur nicht so schwer und denke stets daran: Mit 17 fängt das Leben erst an!“, ah, ja, alles klar. Also: wenn irgendwer Euch, liebe junge Frauen und Fräuleins, den Hof macht, dann nehmt das nicht so schwer, aber lasst Euch küssen oder nicht, und falls jemand Eure Gefühle verletzt, herrje, alles halb so wild, das geht gerade erst alles los.  Nehmt Euer Schicksal hin, lasst Euch erheben und lasst Euch aussortieren, nehmt’s nicht so schwer, so ist das halt, mit Euch wird gemacht, ihr selbst lasst bloß machen … wer immer das auf eine Art und Weise zu interpretieren vermag, die nicht wirr ist und in der Herabsetzung junger Frauen endet, möge mir ein paar Zeilen hinterlassen, ich selbst verweigere mich nun einer weiteren Beschäftigung mit diesem Humbug.

Ein Kommentar zu “Der Liedschatten (13): Ivo Robić: “Mit 17 fängt das Leben erst an””

  1. Hallo,
    Ich habe gerade einen Post über Ivo Robic in meinem Blog veröffentlicht, falls Sie interesse haben können Sie sein Lied Domino hier hören : http://ceintsdebakelite.wordpress.com/2011/09/11/ivo-robic-domino-1952/
    Ceints de bakélite

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