Young GalaxyShapeshifting

In der Welt des immer noch millionenschweren Chartpop ist es keine Seltenheit, dass der Anteil der InterpretInnen am Erfolg eines Werkes als gering angesehen wird; vielmehr wird der Ruhm abseits des Rampenlichts agierenden Produzenten wie Dr. Luke, Tricky Stewart oder Xenomania zugedacht, die vom finalen Sounddesign über instrumentales Arrangement bis zum grundlegenden Songwriting nahezu alle Aspekte des musikalischen Entstehungsprozesses kontrollieren können. Nicht immer wohlgemerkt, mit Katy Perry, Ke$ha und Lady Gaga begannen die erfolgreichsten Debütantinnen der letzten 2 Jahre alle ihre Karrieren selbst als Songwriterinnen für bereits etablierte Stars und hatten auch merklich Anteil an ihrem eigenem Material, weswegen sich letztere der drei jüngst auch nicht ganz zu Unrecht über mangelnden Respekt beschwerte.

Abseits des Mainstream-Pop sieht die Relevanz der Produktionsleistung spätestens dann ziemlich anders aus, wenn sich die Betrachtung auf Bands richtet. Wer glaubt schon, dass „The King Of Limbs“ ein völliges Desaster geworden wäre, hätte sich ihm wer anders als Nigel Godrich angenommen? Weiß überhaupt jemand ohne zu googeln, wer „The Suburbs“ aufgenommen hat? Und ist mit Steve Albini nicht einer der renommiertesten Indierock-Produzenten gerade einer, der partout behauptet, keinerlei Einfluss auf den kreativen Aspekt und den Sound der Musik auszuüben und sich lediglich als Dokumentierer sieht? Daher hat es schon einen hohen Seltenheitswert, dass man beim dritten Album der kanadischen Band Young Galaxy mindestens die Hälfte des Erfolgsanteils seinem Produzenten zugestehen muss.

Das heutige Trio begann Mitte des Jahrzehnts, von Stars-Tourgitarrist Stephen Ramsay und Sängerin Catherine McCandless gegründet, vielversprechende Dreampop-Pfade zu beschreiten. Doch besonders mit ihrem zweiten Album konnten Young Galaxy keine richtig eigenen Akzente setzen, als würden sie unter einer Identitätsschwäche leiden – eine Not, aus der sie letztes Jahr eine Tugend machten. Nachdem sie die Songs für das vortrefflich betitelte „Shapeshifting“ aufgenommen hatten, schickten sie das Material an den Göteborger Dan Lissvik, auch bekannt als die eine Hälfte des brillanten Duos Studio, um es frei nach seiner eigenen Vision zu transformieren. Zwar hatte sich Lissvik als Produzent schon über seine Arrangements für „East Of Eden“ von Taken By Trees bewährt, auch bot Studios herrlicher Remix von Shout Out Louds‘ „Impossible“ Indizien, wohin das Ergebnis tendieren könnte, ein großes Wagnis war derartig blindes Vertrauen nichtsdestotrotz.

Und zahlte sich aus. Der Synthpop auf „Shapeshifting“ klingt, als hätte Lissvik ihn aufs Minimalste entkleidet, alles entsorgt oder (wie manche Vocals und Synthflächen) beschnitten, das nicht seiner Vorstellung entsprach und eine präzise, detaillierte Neukonstruktion vollzogen, zusätzliche Beiträge aus Göteborg lieferten dabei Ex-Cat5-Sängerin Hanna Lovisa und Fredrick Lindson von The Embassy. Vor allem im instrumentalen Wechselspiel in Stücken wie „Peripheral Visionaries“ oder „Phantoms“ ist Lissviks Handschrift unverkennbar, lockere Akustikgitarre und schnell ausgefadete Synthanschläge eingeflochten in weit hallende Perkussionsfelder aus Handtrommeln, synthetischen Drums und Snares, Schellen oder auch Schlaghölzern, spielen ein leichtfüßiges, futuristisches Pinpong im Ohr das in seiner klaren Umrissenheit keine Kopfschmerzen zu verursachen droht. „For Dear Life”, strukturell wenig von seiner Ursprungsform abweichend, tastet sich packend über drei Minuten vorwärts um über den langgezogenen „I Will Run“-Gesang McCandless‘ einen Gang höher zu schalten und unter schneidigem Castagnettenklackern davon zu galoppieren.

Auch der Kontrast zwischen balearisch-tropischen Steel Pads und düster umhangenen Synths in „Cover Your Tracks“ weiß zu begeistern, doch auch wenn wie hier nicht auszumachen ist, wem für welche Teile der Ruhm zusteht: Ohne die warmen, immer ein Stück melancholischen Melodien von Young Galaxy hätte dieses Album kein Herz. Egal wie schön sich die Form auch geändert hat.

75

Label: Smalltown Supersound

Referenzen: Studio, Dan Lissvik, Taken By Trees, ceo, The Cure

Links: Homepage | MySpace | Label

VÖ: 18.02.2011

2 Kommentare zu “Rezension: Young Galaxy – Shapeshifting”

  1. Lennart sagt:

    Ich hab‘ den Song gerade zufällig nach Radio Dept. gehört, und es schloss sich hervorragend daran an.

  2. […] Zusammenarbeit von Produzent Dan Lissvik und Young Galaxy funktioniert gerade deswegen so gut, weil beide Parteien stark unterschiedliche Ausgangspositionen […]

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