Rückschritt ist immer erstmal blöd und die Ankündigung einer Band, dass das nächste Album sich wieder stärker auf die eigenen Wurzeln zurückbesinnen werde, meist bloß als Zeichen von Hilflosigkeit und kreativer Kapitulation zu lesen. Etwas anders verhält es sich da bei den Decemberists, die sich auf ihrem letzten Album „The Hazards Of Love“ in einem einigermaßen größenwahnsinnigen Unterfangen etwas zu sehr im manchmal leicht faulig riechenden Prog-Sumpf verrannt hatten. Tief durchzuatmen und schnellstmöglich überflüssigen Ballast loszuwerden schien da plötzlich mehr als naheliegend, um den Karren nochmal aus dem Dreck zu ziehen.

Und als solch ein Befreiungsschlag kann „The King Is Dead“ dann wohl auch getrost gedeutet werden, denn kaum etwas erinnert mehr an den konzeptuellen Wahn der beiden Vorgängerwerke, die groß angelegten Heldensagen und entfesselten Gitarren-Eskapaden. Vielmehr vollziehen Colin Meloy und Kollegen hier einen Schritt, den man etwas euphemistisch umschrieben auch als Einleitung des Spätwerks bezeichnen könnte. Man hat sich ganz offensichtlich nichts mehr zu beweisen und im Vordergrund stehen von nun an nur noch und ganz allein die Songs. Soweit so fragwürdig, das Ergebnis jedoch gibt den Decemberists letztendlich Recht. „The King Is Dead“ ist dem hochtrabenden Titel zum Trotz ein unspektakuläres, ja regelrecht unscheinbares Folkrock-Album geworden, das in dieser Rolle – und das ist bei einem Bandleader mit einem solchen Hang zum Pathos wie Colin Meloy schon eine kleine Sensation – jedoch überraschend gut aufgeht.

Mit großer Leichtigkeit fliegt man hier durch die mittels Steel Guitar und Mundharmonika ungewöhnlich countryhaft getrimmten Lieder und blickt gelegentlich sehnsüchtig zurück, während draußen die weiten Kornfelder an einem vorbeirauschen. Soviel Klischee sollte man schon verkraften können, denn aus dem Bühnendrama ist eine Art Roadmovie geworden und die sonst so schnöselig aristokratischen Dezemberisten atmen nun die staubige Luft geerdeter Americana. Dabei geht neben dem erwähnten Prog-Brimborium zwar auch ein wenig die raue Schrulligkeit und tiefe Melancholie flöten, die den romantischen Seeräuberfolk der ersten drei Alben auszeichnete, den Unterschied machen aber letztendlich wirklich die Songs. Die erscheinen, wie die beiden zaghaft dahingeklampften „January Hymn“ und „June Hymn“, auch mal nur aufs Allernötigste beschränkt vor einem und zelebrieren ansonsten gut abgehangenes Handwerk zwischen Saloonstampfer und Eisenbahnromantik. Ein besonderes Highlight liefert dabei sicherlich „This Is Why We Fight“, das mit spannungsgeladenen Gitarren und janglendem Banjo zwischen High Noon und großer Gelassenheit hin- und herpendelt. In der kaum weniger gelungenen ersten Single „Down By The Water“ darf schließlich sogar R.E.M.s Peter Buck seinen Beitrag an der Zwölfsaitigen leisten, während die Mundharmonika ein wenig Dylan heraufbeschwört.

Auch wenn man sich das Ganze insgesamt vielleicht etwas weniger glattgestriegelt gewünscht hätte, bietet „The King Is Dead“ letztendlich kaum Grund zum Meckern. Ausfälle gibt es keine und auch die Gefahr, in Gefilde von allzu seichtem Happy-Go-Lucky-Country abzurutschen wird weiträumig umschifft. Wenn man so will, könnte man vielleicht sogar vom rundesten und homogensten Decemberists-Album bis dato sprechen. Keine weitere Großtat also, aber falls das hier wirklich sein sollte, was Colin Meloy und Posse unter einem sogenannten Spätwerk vertstehen, hätte man doch gerne mehr davon. Lang leben die Decemberists!

70

Label: Rough Trade / Beggar’s Group (Indigo)

Referenzen: Neutral Milk Hotel, Arcade Fire, Bright Eyes, Blitzen Trapper, Okkervil River, Bob Dylan, Neil Young, Gram Parsons

Links: Homepage, MySpace

VÖ: 14.01.2011

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