Genug gehört vom leidenden Künstler, dessen Musik lediglich schnödes Ventil ist, um seine mehr oder weniger schweren Schicksalschläge zu verarbeiten. Genug gehört der tausend tragischen Geschichten, die eigentlich nur dazu dienen sollen, die Verkaufszahlen eines Albums durch das gewisse Mehr an Authentizität in die Höhe zu schrauben.

Nun, angesichts dieses wirklich tollen Albums könnte es einem prinzipiell vollkommen egal sein, dass Edwyn Collins im Februar 2005 zwei Schlaganfälle erlitt und unter anderem auch durch die unermüdlichen Arbeiten an „Losing Sleep“ seinen Weg zurück ins alltägliche Leben fand. Dann könnte es einem auch egal sein, dass eben dieser eigentliche Akt der Unmöglichkeit letztendlich in einer Platte mündet, die vor Lebenswillen und „Jetzt erst recht“-Gestus nur so strotzt und frei von Nostalgie mit einem Energielevel aufwartet, das man sonst kaum einem Musiker dieser Altersklasse und mehr als hügeligen Karriere jemals zugetraut hätte.

Durch die tatkräftige Unterstützung seines guten Freundes Sebastian Lewsly und eines Haufens illustrer Gäste hat er unter Verzicht auf überflüssigen Produktions-Schnickschnack und großangelegte Planung elf Lieder zusammengerungen, die all den Nachahmern der letzten zehn bis 30 Jahren noch einmal vorführen, wie das mit dem Britpop eigentlich gemeint war. Alles was es dafür braucht, ist ein schepperndes Schlagzeug (bedient von Ex-Sex-Pistol Paul Cook), eine Fuzzgitarre („Little“ Barrie Cadogan) , gelegentlich knarzende Bläser und eben diejenige Version von Soul, die Edwyn Collins schon mit Orange Juice zu einer der wichtigsten Figuren des britischen Postpunk werden ließ. Bereits die ersten beiden Stücke, das titelgebende „Losing Sleep“ und „What Is My Role“ klingen wie die rohen, energischen  Skizzen eines Sounds, auf dem Maxïmo Park und Franz Ferdinand ganze Karrieren gründeten. Da scheint es nur folgerichtig, dass letztere in Form von Nick McCarthy und Alex Kapranos beim Refrain des darauffolgenden „Do It Again“ ihre längst fällige Ehrerbietung zum Besten geben. In „Come Today, Come Today Tomorrow“ darf dann schließlich auch Johnny Marr ein paar seiner altbekannt flockigen Jangle-Parts an der Gitarre einstreuen.

Den vollen Umfang der Gastmusiker auf „Losing Sleep“ herunterzubeten könnte den Rahmen dieser Rezension bereits füllen. Erwähnt werden sollen aber lediglich noch Rick Jarman von The Cribs, der sogar bei drei Songs Schützenhilfe leiste und The Drums, deren in diesem Jahr auch bei AUFTOUREN nicht ganz unumstrittene Philadelphia-leichte Diät-Variante von Wavepop auf diesem Album wohl am meisten, aber nicht unbedingt unangenehm, aus dem Rahmen fällt. Herausstechen nämlich, das tut aus diesen mehr oder weniger markanten Duftmarken der Gaststars letztendlich doch nur Collins selbst, der hier unnachahmlich croonend wie zu besten „A Girl Like You“-Zeiten immer Herr der Lage bleibt und ein eher beherztes als sentimentales oder gar trübsinniges Bild seiner selbst abgibt. Lediglich gegen Ende in „All My Days“ und „Searching For The Truth“ leistet er sich dann doch nochmal seine paar zurückblickenden Minuten der Demut und rundet damit ein Album ab, das man, würde ich man sich in der Discographie dieses Mannes wirklich so genau auskennen, als das beste seit xy bezeichnen könnte. So aber bleibt es lediglich das einzig wahre Comeback des Jahres.

77

Label: Heavenly / Roughtrade / Cooperative / Universal

Referenzen: Paul Weller, Maxïmo Park, Franz Ferdinand, Jarvis Cocker, The Go-Betweens, Elvis Costello, Lloyd Cole, Morrissey

Links: Homepage, MySpace

VÖ: 17.09.2010

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