Der Mond ist aufgegangen

Der Mond ist aufgegangen

Ausgehend vom gerade erschienenen fabelhaften Sam-Amidon-Album „I See The Sign“ (die Rezension folgt in Kürze) und den darauf vielfach enthaltenen Neuinterpretationen traditioneller Folksongs kommt einem die Frage in den Sinn: Warum klappt das nicht mit deutschem Liedgut?

Betrachtet man aktuelle internationale Veröffentlichungen, gelingt es doch vor allem den Amerikanern und Briten, viele ihrer seit Jahren von unterschiedlichen Musikern dargebotenen Traditionals und Folk Songs in (behutsam) modernisierte Gewänder zu kleiden. Diese werden dann auch nicht nur in den einschlägigen Fachpublikationen erwähnt, sondern schaffen es immer wieder, bei einem breiteren Publikum Anklang zu finden und werden durchaus von ansonsten nicht so folkaffinen Musikhörern konsumiert. Beispiele dafür gab es in den letzten Monaten einige, so haben es vor allem in Großbritannien Künstler wie Alasdair Roberts und James Yorkston mit ihrem jeweils letzten Werk geschafft, den Spagat zwischen traditionellem Volkslied und deren Neueinspielung auf den Punkt zu bringen. Alasdair Roberts wählt auf „Spoils“ dafür eher den konventionellen Weg und sucht sich Songs im Rohzustand heraus, die er dann selbst mit unterschiedlichen Mitmusikern in ausufernde, aber immer dem Kern des Objekts treu bleibende Kleinode verwandelt. James Yorkston geht auf seinem Album „Folk Songs“ den Umweg über Interpretationen klassischer Singer/Songwriter und Folkmusikanten, deren Charakter er teilweise annimmt und nur sachte, aber eigenständig modifiziert. Das US-Duo Among The Oak & Ash setzt auf seinem selbstbetitelten Debüt in erster Linie darauf, den klassischen Folksong in ein Popgewand zu kleiden und bedient sich vornehmlich sagenhafter Mörderballaden und Moritaten, während der oben erwähnte Sam Amidon sich luftigste Elektronikschnipsel und renommierte Musikerkollegen (unter anderem Beth Orton) schnappt und dadurch auf sehr zugängliche Art und Weise eine Hinwendung zum Indiefolk erzielt, so dass unter den zahlreichen „echten“ Folksongs eine Neuinterpretation des R.-Kelly-Stücks „Relief“ nicht weiter auffällt.

Begibt man sich auf Spurensuche nach aktuellem deutschen Volksgut, entdeckt man zwangsläufig keine wirklichen Kostbarkeiten. Sicherlich haben die einzelnen Szene-Magazine wie z.B. der „Folker“ immer mal wieder Bands im Aufgebot, die sich auch traditionellen Volksliedern nähern, aber die Suche endet entweder im Liedermachersegment, bei teilweise furchterregenden Mittelalterkapellen, oder schlimmer noch bei Dieter Falks’ ominösem Versuch, das Volkslied in das 21. Jahrhundert zu transportieren. Bitte nicht! Es bleiben Bands bzw. Gruppen wie Zupfgeigenhansel oder auch 17 Hippies, die sich allerdings über die Lieder-Szene hinaus kaum ins Gedächtnis rufen lassen, oder Achim Reichel, der seine ganz hübsch anzuhörenden Neuschaffungen schon auf diversen Tonträgern, zum Beispiel zuletzt „Volxlieder“ und „Michels Traum“ veröffentlicht hat.

Auch wenn das für viele anfangs vielleicht verstörend klingen mag: Warum nicht mal ein „Zogen einst fünf wilde Schwäne“, „Wildgänse rauschen durch die Nacht“ oder „Der Mond ist aufgegangen“ in ein zeitgenössisches Gewand kleiden und von einer netten kleinen Indie- oder Folkband neu interpretieren lassen? Sicherlich eine gewagte Aufgabe, bei der im wahrscheinlichen Fall des Scheiterns mit vernichtend-spöttischen Blicken zu rechnen ist. Dass sie aber dennoch bravourös zu meistern ist, haben die Genrekollegen bewiesen. Nur Mut.

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