In der Zeitschlaufe des Pop

Nostalgie wird in der Rezeption (oder sollte man vielleicht schreiben Rezension) von Popmusik, insbesondere abseits des ganz großen Mainstreams, eher abschätzig beurteilt. Der allgemeine Wunsch nach Authentizität, Eigenständigkeit und Weiterentwicklung bestimmt die Erwartungen der Hörer und Kritiker. Dabei setzt sich gerade das Genre des sogenannten Indie-Pop in seiner Basis aus Künstlern und Bands zusammen, die niemals vorgeben, irgendetwas neu erfinden zu wollen, sondern sich mehr oder weniger talentiert an ihren jeweiligen Vorbildern (vorwiegend der 60er bis 80er Jahre) abarbeiten und dabei im besten Falle so charmant rüberkommen, dass eventuelle Zweifel bezüglich der Originalität von der Kritik einfach mit dem Prädikat “Zeitlos“ hinweggewischt werden können.

cameraobscuraEine Band, die man ganz sicherlich jener „Zeitlos“-Kategorie zuordenen kann, ist das schottische Sechsergespann von Camera Obscura. Ihre Musik klingt auch auf ihrem neuen Album „ My Maudlin Career“ wieder ausgesprochen altmodisch, strotzt nur so vor Verweisen auf den Pop der 60er Jahre, auf Motown, Girlgroups und Northern Soul und könnte damit sozusagen als Blaupause für diese Sorte Indie-Pop herhalten.  Vor dem geistigen Auge des Hörers erscheinen Mädchen in geringelten Kleidern, die ein bisschen so aussehen wie Audrey Hepburn oder Jean Seberg in Godards „Außer Atem“ und Jungs in Strickjacken stöbern sich durch die im Eröffnungslied „French Navy“ angesprochenen „dusty libraries“ alter englischer Universitäten. Bilder wie sie auch die Seelenverwandten und immer wieder zum Vergleich herangezogenen Belle & Sebastian nicht besser entstehen lassen könnten, und das alles in Schwarz-Weiss versteht sich.

Trotz dieser scheinbaren Klischeehaftigkeit funktioniert auch dieses Album von Camera Obscura in seiner Leichtfüßigkeit wieder einmal prächtig. Die Orchestrierung der Stücke ist hier opulenter und perfekter denn je geraten, was in Liedern wie „The Sweetest Thing“ besonders den Soulbezug der Band stärker hervorstellt und ansonsten dafür sorgt, dass von ihrem bisher ausdifferenziertesten und geschlossensten Album gesprochen werden kann. Man liebt oder man belächelt diese Art von romantischer Träumer-Musik, aber am Ende ist es dann wahrscheinlich doch wieder Sängerin Tracyanne Campbell, die mit ihrer glockenhell verträumten Jungmädchenstimme alle hornbebrillten Indieboy-Herzen zum Schmelzen bringt und damit eigentlich alles klar macht für eine Platte, der im Endeffekt höchstens vorgeworfen werden kann, dass sie diesmal keinen so vorzüglichen Hit wie die wundervolle Lloyd Cole-Hommage „Lloyd, I’m Ready To Be Heartbroken“ vom letzten Album zu bieten hat. Insgesamt also eine ganz und gar runde Sache.


cats-on-fire

Was aber in Steven Patrick Morrisseys Namen der Grund dafür sein soll, dass ausgerechnet die finnischen Cats On Fire gerade an vielen Stellen als nächste große „Twee“-Pop-Hoffnung gefeiert werden, ist eine völlig andere Frage, die wohl nicht mal selbiger angemessen beantworten könnte. Ihr nun erscheinendes zweites Album „Our Temperance Movement“ ist diesbezüglich jedenfalls wenig aufschlussreich. Musikalisch lässt sich das Ganze recht simpel zusammenfassen, indem man an eine ziemlich detailgetreue Smiths-Kopie denkt, bei der sich zur Johnny Marr-Klimpergitarre ab und zu auch noch mal ein Klimperpiano oder eine Klarinette gesellen und deren Sänger sich seinen skandinavischen Akzent im Rahmen seiner ansonsten doch ziemlich perfekten Morrissey-Intonation etwas bewahrt hat.

Dass sowas prinzipiell völlig in Ordnung geht, bewiesen zuletzt Voxtrot mit ihren frühen EPs. Doch deren Charme und songwriterisches Talent, ganz zu schweigen von der textlichen Brillanz und Tiefe des Originals, geht den Cats On Fire leider völlig ab. Sie machen hier zwar nichts wirklich falsch, aber hat man all dies eben schon so oft und so viel besser gehört. Kein Lied will wirklich zünden und auch nach mehrmaligem Hören will da kein rettender Ast auftauchen, der „Our Temperance Movement“ davor bewahren würde im Mittelmaß zu versinken. Das Album plätschert 10 Songs lang fröhlich vor sich hin, berührt nicht, tut nicht weh und am Ende bleibt lediglich die Erkenntnis, dass es schon eine ganze Weile her sein muss, als zuletzt „The Queen Is Dead“ aufgelegt wurde. Könnte man eigentlich auch mal wieder hervorkramen…

7.0 / 10

4.7 / 10

Label: 4AD (Beggars/Indigo) | Cargo Records (Cargo)

Referenzen: Belle & Sebastian, Antiquitätenläden, Those Dancing Days, Jens Lekman, Pelle Carlberg,  alte Schwarz-Weiss-Fotos, The Smiths, Voxtrot

Links: Camera Obscura, MySpaceCats On Fire, MySpace

VÖ: 17.04.2009 | 22.05.2009

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