Viele Mitstreiter im doch recht weitläufigen Singer-/ Songwriter-Genre verlieren sich ja neuerdings gerne im Strudel der Möglichkeiten. Ob Conor Oberst, Kristofer Aström oder Tom McRae, nicht wenige verspüren nach geraumer Zeit die Lust nach „mehr“. Nur führt dieses Mehr an Instrumenten, Produktionskosten und sonstigem Brimborium häufig auf einen nicht enden wollenden Irrweg. Völlig verzettelt findet man sich in vollauf belanglosen, seit Jahrzehnten ausgelutschten Klangkulissen wieder. Von der Intimität erster Werke ist längst nichts mehr übrig, selbst die unbestrittenen Songwriterqualitäten oben genannter Künstler gehen in dem glattgebügelten Sound komplett unter. Hier ein wenig Country, da ein bisschen Rock. Erwachsen will man sein. Emotionen haben da wohl nichts mehr verloren. OK, wenigstens für den WDR Rockpalast hat es gereicht…
Entsprechend skeptisch wird dann auch erstmal die Verlautbarung im Vorfeld des Zweitwerks von Elvis Perkins zur Kenntnis genommen. Nicht mehr allein, sondern von einem Trio an Saxophon, Posaune, Klarinette und was sich sonst noch so finden lässt, begleitet. Aha. Die ersten Falten kennzeichnen einen Gesichtsausdruck, der sich dann aber allmählich aufhellt, je länger die Platte ihre Kreise zieht. Der Opener „Shampoo“ versprüht eine selten aufzufindende Leichtigkeit und kommt unerwartet erfrischend daher. Ein Ohrwurm, keine Frage. Rein stimmlich gesehen nur noch wenige Schritte vom Reggae entfernt, erzeugt der Song eine vorsommerliche Euphorie, lediglich im Subtext ist mit der Zeit eine gewisse Trauer ausfindig zu machen. Reichlich Platz für Emotionen, es geht also doch! Erstmal durchpusten, Elvis Perkins hat noch eine Menge zu erzählen.
Ob es an der Erfahrung des Produzenten Chris Shaw (Bob Dylan, Ween) liegt, dass „Elvis Perkins In Dearland“ immer genau dann die Kurve bekommt, wenn der Wok vor lauter Tatendrang unter dem Hintern wegzurutschen droht? Das Feld der Belanglosigkeit wird gekonnt umschifft, obwohl sich nahezu ausschließlich traditioneller Mittel bedient wird. Es sind häufig nur Nuancen, die Songs wie „Hey“ oder „I Heard Your Voice In Dresden“ doch noch ins Ziel retten. Ausschlaggebend dafür mag das Einfühlungsvermögen von Elvis Perkins himself sein, der eben zu keiner Zeit gekünstelt wirkt und sich in seiner neuen Rolle als Mittelpunkt eines Quartetts pudelwohl fühlt. So kann er sich auch schonmal hinter den Schultern der Mitstreiter verstecken. Diese erlauben es ihm darüber hinaus, seine Trauer nicht so zur Schau stellen zu müssen, meist wird sie gar nur angedeutet, ohne aber an Wirkung einzubüßen. „I’ll Be Arriving“ fällt dann im Mittelteil etwas aus dem musikalischen Rahmen und will sich nicht so richtig in den Gesamtkontext einordnen. Spätestens mit „Doomsday“ findet „Elvis Perkins in Dearland“ dann aber recht schnell in die Erfolgsspur zurück, treibt an und lässt vor Freude schunkelnd und wippend von besseren Zeiten träumen. Das fast schon bluesig anmutende „How‘ s Forever Been Baby“ holt einen dann aber kompromisslos auf den Boden der Tatsachen zurück. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn wir fröhlich winkend verabschiedet worden wären.
7.0 / 10
Label: XL / Beggars / Indigo
Spieldauer: 44:16
Referenzen: Josh Ritter, Damien Jurado, Tom McRae, Rocky Votolato, Josh Rouse, Rufus Wainwright
VÖ: 03.04.2009