Müßig, angesichts von „Home“, dem neuen Album Peter Brodericks, einmal wieder über ewig traurige Singer/Songwriter zu schreiben, zumal man dem in Dänemark lebenden Exilamerikaner damit großes Unrecht antun würde. Das Gesamtwerk dieses jungen Multiinstrumentalisten, der seine Heimatstadt Portland einst verließ um seine Lieblingsband Efterklang als Violinist zu unterstützen, umfasst nämlich weit mehr, als nur mit der akustischen Gitarre bewaffnet traurige Lieder über verflossene Lieben in sein Bier zu weinen.

Das bereits im Mai dieses Jahres erschienene Albumkleinod „Float“ ließe sich vielmehr wunderbar als ein weiterer Beitrag zu unserem jüngsten AufTouren-Instrumental & Ambient-Special sehen. Broderick wandelt hier nämlich, ähnlich wie etwa Max Richter oder Labelkollege Sylvain Chaveau, nahe dem Grenzgebiet zwischen U- und E-Musik (falls man diese Grenzziehung denn überhaupt noch für nötig bzw. möglich hält). Mithilfe von Streichern, Field Recordings und ein wenig Elektronik erzeugt er von tiefer Melancholie durchzogene minimalistische Klanglandschaften, in denen jeder einzelne Ton durch die Vorsicht und Klarheit, mit der er gesetzt wird, eine ganz besondere Bedeutung verliehen bekommt. Immer wieder zusammengehalten wird das Ganze – und das ist es, was einen Großteil des Zaubers dieser Platte ausmacht – durch ein Pianospiel, das sich, ohne Scheu vor eingängigen Melodien, in den besten Momenten ja geradezu fast heiter gibt und so entscheidende Kontrapunkte zur hier sonst vorherrschenden tristen Herbstlandschaft setzt. Auch in Zusammenhang mit dem zumindest vorsichtig angedeuteten Gesang in „Another Glacier“, einem der Herzstücke des Albums, ist dies ein Ansatz, der „Float“ näher in Richtung Songwriting rückt und Peter Broderick so etwas von seinen experimentelleren, neoklassischen Kollegen abhebt.

Auf „Home“ nun wird dieser Songwriter-Ansatz radikal weiterverfolgt, Klavier und Streicher mussten der Gitarre weichen und wenn man so will, könnte man behaupten, Broderick habe den tiefen Wald seiner europäischen Wahlheimat wieder gegen die weite Prärie Nordamerikas getauscht. Schon der Beginn des Albums, „Games“, mit den halligen Choralgesängen im Hintergrund, die einen sofort an unsere amerikanischen Lieblingsnaturburschen wie Bon Iver und Fleet Foxes denken lassen, macht klar, dass hier eine gänzlich andere Vorgehensweise verfolgt werden soll als noch auf „Float“. „Home“ ist introvertierter Folk, der es locker mit den zahlreichen unvermeidbaren Referenzen (Drake, Smith, Gonzales, etc.) aufnehmen kann und dabei den überwiegenden Großteil seiner Zunft locker in die Tasche steckt. Dabei baut Peter Broderick allerdings weniger auf Worte und Geschichten als auf das Erzeugen von Stimmungen, denn seinen trotz allem wunderschön intimen Gesang setzt er meist nur sehr sparsam ein und die wenigen Momente, in denen dann Instrumente und Stimme wie am Ende von „Below It“ hymnisch übereinander geloopt werden, wirken als katharsische Gegenpunkte im zarten Fluss des Albums. Hier schließt sich also der Kreis zu „Float“ und dem bisherigen Schaffen Peter Brodericks, dem hier das Kunststück gelingt, innerhalb eines halben Jahres zwei formal völlig unterschiedliche Alben zu veröffentlichen, denen jedoch das gleiche Herz voll sanfter Trauer innewohnt und mit denen es sich diesen Winter wunderbar überleben lässt.

8.0 / 10

8.0 / 10

Label: Type (Indigo) / Bella Union (Cooperative; Universal)

Spieldauer: 35:55 / 40:03

Referenzen: Max Richter, Sylvain Chaveau, Hauschka, Múm, Savoy Grand, Nick Drake, Elliott Smith, José Gonzales, Bon Iver, Bonnie „Prince“ Billie

Links: MySpace, Type Records

VÖ: 16.05.2008 / 31.10.2008

2 Kommentare zu “Reviews: Peter Broderick – Float / Home (beide 2008)”

  1. Pascal sagt:

    Wunderschöne Platte, die Home, begeisternder Singer-/Songwriter mit genre-ungewöhnlicher, erweiteter Umsetzung.

    Nur eines stimmt natürlich nicht: KEINER steckt auch nur ansatzweise Elliott Smith in die Tasche, wenn er denn mit Großteil gemeint sein soll;)

  2. Bastian sagt:

    Der gehört natürlich nicht zum Großteil sondern zu den restlichen 3%.

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