Elegien aus der Zwischenwelt: New Words For Old Wounds und Clean War von William Ryan Fritch

Nicht nur, weil er gerade in den letzten Rezensionen zu DM Stith und Ian William Craig als Referenz aufgeführt und in den Quartalshitlisten der Redaktion prominent genannt wurde, lohnt eine Betrachtung des Komponisten, Songwriters, Produzenten und Multiinstrumentalisten William Ryan Fritch, der unlängst vor allem als Soundtracktüftler und Mitglied der abstrakten HipHop-Gruppe Sole And The SkyRider Band aktiv gewesen ist. „New Words For Old Wounds“ als letzter Teil seiner „Leave Me Sessions Subscription Series“ und das nur einen Monat später fertiggestellte „Clean War“ können ein Lied davon singen.

So eine Doppelrezension hat es natürlich schwer, den Fokus zu setzen. Nähert man sich Fritch eher über das einen Zyklus abschließende „New Words For Old Wounds“, das deutlich bildhafter arbeitet und mit DM Stith einen Gastsänger an Bord hat, dessen Wirken bereits seinen Schatten voraus wirft? Oder geht man beherzten Schrittes voran und widmet sich „Clean War“, das einen Schlingerkurs zwischen U- und E-Musik nicht verleugnen kann und mit dem Titelsong den vielleicht spannendsten Track des Künstlers insgesamt beinhaltet? Versuchen wir es vielleicht gar parallel und stellen die einzelnen, größtenteils miteinander verbundenen Kompositionen gegenüber?

Vielleicht lassen sich beide Alben ein wenig über ihre Wirkung beschreiben. Es regiert der Klang, der ein entschiedenes Regiment über alle sich unterordnenden Texturen führt. Dabei spielt es keine Rolle, ob wortlose Chöre, ambiente Drones, Echoeffekte oder Geisterstimmen, Violinenflächen oder Störgeräusche sich in den Vordergrund stellen: Es ist der Zusammenklang aller Elemente, der stück- und albumübergreifend Wirkung zeigt. Das bedrohliche „Awake“, das DM Stith mit voller Inbrunst zu Beginn von „New Words For Old Wounds“ zum Besten gibt, schauert begehrenswert vor sich hin. Alle Töne beugen sich einer vagen Idee und auf einmal türmt sich Streicher über Streicher, Beat über Beat, Echo über Echo. Ähnlich wie bei Ian William Craig bekommen Stücke wie „A Slow Collapse“ auf „Clean War“ bildhafte Erregungszustände anhandgestellt, und doch schafft Fritch es immer wieder, auch diese stillen Songwritermomente herbeizuführen, von denen das auf „New Words For Old Wounds“ zu findende „Entirety“ sicherlich eine der schönsten und klarsten Passagen seines gesamten Schaffens ist.

Doch kaum ist diese eine Passage vergangen, fliegt mit „Floats By“ ein nächster, deutlich differenter Moment vorbei. Zwei Stimmen, von schlichter Zartheit, pendeln sich über einen verschleppt scheppernden Drumbeat ein und bewegen sich gemessenen Schrittes eine Ebene höher empor. Hier wird dann schlussendlich erfahrbar, dass „New Words For Old Wounds“ und „Clean War“ die gleiche Seele haben, doch zwei Herzen schlagen in deren Brust. Lässt „New Words For Old Wounds“ noch Platz für Zwischenräume, die sich deutlich näher an konventionellem Liedgut orientieren, verschmelzen diese bei „Clean War“ zu einem Sinnestaumel, der keine klaren Grenzen setzt.

Fritch deliriert im positivsten Sinn, er oszilliert zwischen Klangkaskaden, deren imaginäre Vorstellungskraft Bahnen bricht und eng aneinandergeketteten Clustern, die vor allem im experimentierfreudigeren „Clean War“ zur vollen Blüte reifen. Beide Alben und auch vieles in seinem üppig gefüllten Backkatalog (circa zwanzig Werke allein in den letzten fünf Jahren) zeigen Bandbreite und Spielfreude, sowie die Lust an der Beschäftigung mit kontrastierenden Wirkungen. So kann es hier auch zu keinem konventionellen Urteil reichen, vielmehr soll es eine Empfehlung sein, sich dem Œuvre Fritchs mal zu nähern – egal von welcher Seite her.

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