Es soll mal niemand behaupten, Petar Dundov vermöge die Kapazitäten des Albumformats nicht gründlich auszuschöpfen: 77 Minuten Musik umfasst „At The Turn Of Equilibrium“, genau so viele wie schon „Sailing Off The Grid“ und „Ideas From The Pond“ vor ihm. Das zeugt weder von mangelnder Qualitätskontrolle, noch von mangelnder kompositorischer Disziplin, eher im Gegenteil: Obwohl der Kroate zwischendurch immer wieder auch Singles und EPs veröffentlicht, ist sein anmutiger Synth-Techno wie fürs extralange Langformat gemacht, wo er seinen elliptischen Reisecharakter ungehindert entfalten kann.

Ein Grund dafür, dass diese Beat-Reisen nicht langatmig wirken, ist schon ihr Anfang. Vor allem in der ersten Hälfte entwickeln sich die Tracks seines fünften Albums sukzessiv über einem Four-To-The-Floor-Anschlag. Anstatt damit langsam Spannung aufzubauen, können sie aber zugleich mit einer Melodie eröffnen, die sanft am Ohr packt und hinfortführt. „Missing You“ setzt so direkt zwei verwobene helltönige und bassige Melodien synkopiert zu gemächlichem Jan-Hammer-Groove, zwischen dessen watzende Snare sich nach und nach hölzerne Perkussion, Hi-Hat, Rasseln und akzentuierende Cymbal-Rollen gesellen. Mit dem Einsetzen flächiger und langgezogener Synthnoten schält sich heraus, was anfangs nur angedeutet war und Dundov zieht eine große Sehnsuchtsmelodie an die Oberfläche, die er über fast zehn Minuten kontinuierlich improvisatorisch variiert und zurückführt, ohne dass es selbstgefälliges Virtuosengenudel wird. Die Emotion, die er damit transportiert, ist schließlich auch der dramatische Antrieb des Stücks, das sich drumherum kontinuierlich weiterentwickelt, schließlich in geigenartigem Anschwillen kulminiert und zum Anfangsmotiv zurückkehrend auseinanderdriftet.

Hier nur am Rand auftauchend, kommen in „Before It All Ends“ deutlicher die nachhallenden Handtrommeln zur Anwendung. Überhaupt prägt vor allem auf perkussiver Seite ein erweitertes Analog-Instrumentarium den Sound des Albums, das Dundov zwar letztendlich per Software sequenziert, dabei aber nicht jede kleine Unsauberkeit ausquantisiert, die beim manuellen Einspielen aufgetreten ist. Solch ein organischer Charakter bekommt gerade dem Spannungsfeld von „Before It All Ends“ gut, um dessen Beat sich grelle, knarzige oder düstere Verdichtungen bilden und sich wieder auflösen. Noch imposanter ist „Mist“ vor allem für Kopfhörer dimensioniert, wo um die Midtempo-Kickdrum eine Bassnote gesponnen ist, die noch mehr Volumen besitzt als der eigentliche Anschlag des Stücks. Im höhlenartigen Klangraum wird es um diese gigantische Präsenz ungewohnt klaustrophobisch, ein verstörender Effekt hält bei Dundovs letztlich meditativen Werken aber nie lange an – schon das nächste Stück ist schließlich „New Hope“, mit dem er einmal mehr die Stimmung des Albums wendet.

Es ist neben „Then Life“ eines der zwei kürzeren – also weniger als zehn Minuten langen – Stücke, das wie auch das Finale „Everlasting Love“ nahezu frei von Beats gehalten ist. Gerade in diesem ambienten Kontext zeigt sich noch einmal, was für faszinierende und eingängige Langzeitentwicklungen Dundov spinnen kann, bei denen ohne Groove und sonderliche Anspannungsmomente schnell das Zeitempfinden schwindet – die euphorische Losgelöstheit des Marathonlaufs ohne dessen körperliche Anstrengung. So komplex schon allein seine hellen Melodien werden können, besitzen sie einen derart leichten Touch, dass sie langwierig sind, ohne langweilig zu wirken.

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