„Death With Dignity“. Wie kann ein solch zaubergleicher Song nur so heißen? Sufjan Stevens schüttelt schon mit dem ersten Stück auf „Carrie & Lowell“ die fluffigen vertrauten Soundkissen auf, um uns beim Hören möglichst zart und bequem zu betten. 40 Jahre alt wird er diesen Sommer, der Multiinstrumentalist aus Detroit, den es nach New York/Brooklyn verschlagen hat.

Seit 15 Jahren verzückt er eine immer breitere Fangemeinde mit seinem Schaffen. Immer etwas gehaucht, nie völlig ausgereizt korrespondiert seine Stimme mit den Instrumenten der jeweiligen Songs, spielerisch legt er Schicht um Schicht auf und lässt zunächst recht simpel erscheinende Instrumentierungen immer komplexer werden – ohne zu überladen. Chorgesang, fröhliches Durcheinander, das sich immer wieder ins Rechte sortiert.

Immer im Mittelpunkt steht der Gesang des Mannes, der Folklore vielleicht in seiner besten Art verkörpert: Das Individuelle, das Persönliche wird in Songs wie „All Of Me Wants All Of You“ schlicht im Text und schillernd in den Noten wiedergegeben. Man kann sich mit Stevens identifizieren – und man soll es wohl auch, spielen doch persönliche Geschichten von Beginn an die Hauptrolle seiner Texte. So auch auf seinem siebten Studioalbum, benannt nach der Familie, die ihm auch sehr wichtig ist, nach Mutter und Stiefvater. „Drawn To The Blood“ – schon solche Titel lassen erahnen, dass es auch um sehr ernste, emotionale Dinge geht, wenn Stevens hinter die Masken schaut, das Wahre suchend. Die Dramatik entsteht dabei nicht durch laute Instrumentierung oder Gesang, sondern sie baut sich – gestützt von seiner Stimme – eher leise auf. Es bedarf nicht harter Arbeit, um in dieser musikalischen Umgebung Spannungsbögen aufzubauen. Denn ja, Sufjan Stevens bleibt ein Mann der leisen Töne.

Er sehnt sich („Fourth Of July“), er vermisst („Eugene“) – und er sehnt sich UND vermisst im titelgebenden Song, starb seine Mutter doch vor zwei Jahren und beendete damit die Chance auf Aussöhnung endgültig. Stevens´ Mutter verließ ihn, als er erst ein Jahr alt war, während sein Stiefvater Lowell Brams heute die Geschäfte von Stevens´ Label Asthmatic Kitty leitet und noch enger mit ihm musikalisch verbunden das 2009er Album „Music For Insomnia“ aufnahm. Patchworkfamilien definieren sich eben nicht nach Standards, doch der Kampf um Anerkennung und Liebe ist wie in allen Familien auch hier vorhanden. Nur ist nicht jeder in der Lage, ihn so herzzerbrechend zu formulieren, wie es Stevens´ kann. Wenn man nicht auf die Texte achtet, ist es flügelleicht, was einem mit „Carrie & Lowell“ dargelegt wird. Es bedarf etwas Anstrengung und Kopflastigkeit, das Einfache zu hinterfragen. Umso schöner, dass Texte, in denen es um tiefe Verzweiflung, suizidale Gedanken oder ein Kind ohne Mutter geht, so leichtfüßig daherkommen können. Ganz große Kunst. Chapeau, Monsieur Stevens!

Ein Kommentar zu “Sufjan Stevens – Carrie & Lowell”

  1. René sagt:

    <3

    Jetzt bitte noch eine Tour hier.

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