The 1975The 1975

Es gibt Musik, die macht das Herz leichter. Ein wenig schämt man sich vielleicht, weil der Song eigentlich zu poppig ist und man doch echter Musikexperte sein will. Und nicht auf so flüchtiges Zeug stehen möchte. Dennoch greift man sofort – in Zeiten wie diesen – zu Shazam, weil Songs wie „The City“ oder „Chocolate“ das Richtige tun: den Kopf erleichtern, vielleicht sogar zum Mitwippen bewegen.

Es ist vergleichbar mit dem ersten Bier unter freiem Himmel, dem Start des Frühlings, einem Sonnenaufgang. Ein wenig Kitsch, das mag doch jeder im richtigen Moment. Ein wenig euphorisch, kleine Perlen, die Hoffnung auf mehr machen, weil sie geradezu absurd tief in deinen Gehörgang dringen und sich dort mit Widerhaken aus pinker Zuckerwatte verhakeln. Und das soll jetzt gar nicht so abwertend klingen, wie es sich liest.

Erste Assoziation nach dem ersten Durchlauf des Albums: Forrest Gump. Wir sitzen auf der Bank und die vier Engländer von The 1975 servieren uns ihre Pralinenschachtel – es lässt sich nicht einschätzen, was als nächstes kommt, Banalität oder catchy Popperle. Songs wie „She Way Out“ sind leichtfertig im besten Sinne. „Heart Out“ – ein belangloser, süßer Liebestrudel mit durchaus konträrem Text über einen Liebespartner, der die ganze Stadt bespringt. Aber heute Abend, da sind es nur wir beide. Warum probierst du es nicht mit meinem Herzen? Ja gut. Ein wenig mehrstimmiger Chorus. Nett. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Achtziger-Jahre-Neonparty. Der erste zaghafte und viel zu nasse Kuss, die Mutter, die die Teenieclique um Mitternacht aus der Disco holt. Mehr Erinnerung denn Ausblick auf gute Abende. Und Synthesizer, die sich in die Höhe schrauben, genau wie sich The 1975 direkt in die obersten Plätze der britischen Single-Charts schoben. Mit Wurzeln in Manchester und einer gemeinsamen Geschichte, die sie seit über zehn Jahren prägt, bringt die Band eigentlich alles mit, um vollends zu überzeugen.

Aber dann gibt es diese Songs, bei denen das Album bereits leicht zu kippeln beginnt und sich erste Sorgenfalten auf die Stirn schleichen, ob man hier vielleicht doch einfach nur einem Chartsphänomen ohne Tiefgang aufgesessen ist. Ausgerechnet bei „Sex“ wird ein wenig zuviel geschluchzt, ohne dass es Matthew Healy völlig aus der Kurve wirft. Ein Song, der „Talk!“ heißt und scheinbar zum Reden auffordert, nervt mit der ständigen Frage, warum denn so laut gesprochen wird. Diffuses Keyboardgeklimpel im Hintergrund lenkt nicht davon ab, dass hier ein Song ohne jeglichen Tiefgang abläuft – was nicht schlimm sein muss, wenn er gut gemacht ist. Doch Titel, die unendlich wirken und nicht fesseln, erwirken einen schnellen Druck auf den Vorwärtsknopf und es sorgt nicht für Heilung, dass „An Encounter“ noch nicht mal anderthalb Minuten dauert. Unerträglich banal ist „Girls“ und Poppoplala-Zeug „Menswear“. Die Hits, die dem Album voranstieben, sorgten vielleicht für einen guten Umsatz, durchgängig kann es nicht gleichermaßen überzeugen. Mancher der 16 Stücke entsinnt man sich schon nach ein paar Minuten nicht mehr, was schade ist, da Balladen wie „Is There Somebody Who Can Watch You“ am Ende der Platte wieder zu fesseln (und ob dem vorhergehenden noch einmal zu überraschen) wissen.

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