Vieles ist auf diesem Album so, wie es auf anderen Alben dieser Band ist. Bradford Cox klingt in „T.H.M.“, als hätte er beim Singen den Mund voll Wasser. Seine düsteren Texte sind ein Gedankenstrom, geprägt von Reflektionen seiner Umgebung, spontan wie die Bandage, die er sich in einer denkwürdigen TV-Performance in Gedanken an seinen Vater anfertigte, der gerade bei einem Unfall zwei Finger verloren hatte. Lockett Pundt – quasi der Lee Ranaldo der Band – singt nur einen einzigen Song und „Dream Captain“ rattert in dieser typisch geknickt-vornübergebeugten Rhythmik, dass man es zum Geradestehen ermahnen möchte. Und doch weht ein anderer, ein gefasst wilder Geist durch das fünfte Album von Deerhunter.

Bradford Cox war der musikalischen Moderne überdrüssig. „Chillwave came along, and it turned ambient music into this perfume that overwhelmed the room. […] it started to feel like people would put anything through three delay pedals.“ „I just feel like everything is so aesthetic and everything is so much motivated by style over substance.“ Jedoch: Delay, Reverb, die psychedelischen Effekte zeitverzögerter und volumenvariierter Gitarrenanschläge waren seit jeher in die Genetik von Deerhunter eingebrannt, ob ihre Musik nun zum Pop oder zum Abstrakten tendierte. Wie also sollte man der ästhetischen Konformität entkommen?

Die Lösung sah Cox in der Vergangenheit, als Rock’n’Roll noch in den Kinderschuhen steckte. Bo Diddley, Hank Williams, bis in die 50er-Jahre reichen die Einflüsse für „Monomania“ zurück. Bei aller Garage-Verzerrung kommt „Pensacola“ unter Steel-Guitar-Hauchen derart Rockabilly daher, dass man von einer Mundharmonika kaum überrascht wäre. „Blue Agent“ tapst Pavement-ig durchs Zwielicht, die noisigen Tape-Manipulationen des bluesigen „Leather Jacket II“ fauchen so fies wie ein hochexplosiver Jon Spencer. Eine Rock’n’Roll-Retroparty ist „Monomania“ aber nicht, spätestens wenn Pundts gewohnt hymnisches „The Missing“ Synthesizer-Politur über seinen Gitarrenglimmer legt.

Vor allem vermittelt „Monomania“ den Eindruck einer Band in Kontrolle. Die Songs sind knapp bemessen, längere Trips, die eingängige Songstrukturen aufbrechen, gibt es nicht. Wenn Deerhunter ausufern, dann ist das Ausufern der Sinn und Zweck des Songs: Das Titelstück, als einziges die Viereinhalb-Minuten-Marke überschreitend, wirft eine kurze Refrain-Finte, entpuppt sich jedoch nach zwei Minuten als ein einziges großes Instensitäts-Crescendo. Immer mehr Sägerauschen, Fiepverzerre, Knarzthrashen türmen Deerhunter auf, während Cox so oft „Monomania“ krächzend wiederholt, dass es seine Bedeutung zwischendrin verliert, zurückgewinnt und schließlich unauslöschlich im Gedächtnis einbrennt.

Das Highlight aber ist das Songtripel zu Beginn der zweiten Albumhälfte. Hier machen Deerhunter deutlich, dass sie nicht bloß andere Schuhe anprobieren, sondern Herren ihrer Stilmittel sind: Die zarte, saubere Gitarrenmelodie in „T.H.M.“s Zentrum wird gen Ende durch ein ryhthmisch repetitives Röcheln verstörend diffundiert, „Sleepwalking“ hält seine Halleffekte zurück, bis es an den traumhaften Refrain oder das anschwellende Finale geht. Über die Sound-Topographie von „Back To The Middle“ könnte hier wohl nochmal ein ganzer Absatz folgen, bestechend ist aber vor allem die Songkonstruktion über den Gesang, wo sich Cox sich mit gleicher Inbrunst aus sich heraus wirft und wieder in sich zurückzieht.

„Punk (La Vie Antérieure)“ ist als klappriges Finale das einzige der Stücke, das als alleinigen Zweck seine Selbstzerstörung hat. „Monomania“ mag weniger berauschend seltsam als frühere Alben sein, zeigt dafür aber, dass Deerhunter auch auf gerader Linie schief laufen können.

Ein Kommentar zu “Deerhunter – Monomania”

  1. danke uli! für mich die beste deerhunter seit microcastle / weird era continued und vermutlich ein sicherer kandidat für die top 50 / 2013.

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