HK119Imaginature

Sie singt auf ihrem dritten Album mit vielen Zungen, Gesichtern und Stimmungen: Heidi Kilpeläinen – wie bei allen finnischen Nachnamen hofft man darauf, keinen Vokal vergessen zu haben. Aber sie macht es uns einfach, nennt sich HK119 – weniger weil sie das Buchstabieren satt hat, sondern als Erinnerung an den elften September und inspiriert von George Lucas‘ THX 1138.

Nicht nur mitreißende und zugleich weltentfremdete Musik macht Kilpeläinens Schaffen aus, sondern auch Performance, Kunst und ein wenig hippieeske Liebeskultur – ähnlich wie bei Little Dragon, The Knife und Fever Ray, deren gemeinsamer Nenner mit „Imaginature“ Produzent Christoffer Berg ist. Den Kontakt mit ihm herzustellen, traute sich HK119 erst durch das gute Zureden von Suede-Sänger Brett Anderson, nachdem ihr schon vor allem Bergs Arbeit mit Fever Ray gefallen hatte.

HK119 schließt ein und grenzt nicht aus, auch wenn manchen ihre Musik schwer konsumierbar erscheinen mag. Genau das macht den Reiz aus: Hypnotische Beats, gepitchte Stimmen und eine Erzählerin, die (zumindest in der Vorstellung) unfassbar lässig eine Zigarette raucht, während sie völlig ohne Zeitdruck und mit sich selbst im Reinen spazieren geht („Snowblind“/„Wild Grass“). Im Einklang mit sich, in Zwiesprache mit der Natur und im Dialog mit unbekannten Stimmen. Man denkt an Kate Bush, erinnert sich an Moloko und freut sich, dass jeder Vergleich im nächsten Moment eines Besseren belehrt wird.

Wo sonst treffen schon (echte) Bienen im „Milky Way“ auf schwere Beats, die leichtfüßig von entrückten Synthies begleitet werden? Oder existiert die sehr bildliche Vorstellung, sich als gefrorene Masse auf den Geliebten zuzubewegen („Iceberg“)? „Underneath the surface, really, I´m melting“. Unter dem Offensichtlichen gibt es noch soviel mehr. Mögen die Texte manchmal fast schlagerverdächtig sein, so erfüllen sie auf jeden Fall ihre Bestimmung: Sie sind Teil des Ganzen und lenken von diesem Puzzle nicht ab. Denn jedes Detail hat es verdient, erhört zu werden (Kopfhörer aufgesetzt!). Elektronische Musik beinhaltet immer auch ein wenig die Gefahr, eingängig, aber herzlos zu sein. Dieses Gefühl hat man bei „Imaginature“ nie, fast zärtlich steuert die Stimme Kilpeläinens durch das Album. Titel wie „Whale“ vereinen Natur und Kunst, überhaupt ist das Album von Bezügen zum Natürlichen durchzogen. Tierstimmen und Sounds, die nach Wald und Weite klingen, spielen immer wieder eine tragende Rolle.

Schlafwandlerisch sicher bewegt sich die momentan in London lebende Künstlerin durch unterschiedliche Kultureinflüsse, die ihr Album prägen. Man hört Portugiesisch („Adailson“), ist zu Gast im Orient, in der afrikanischen Steppe und in der Kälte der Antarktis. Man hört Geschichten („Moss“) und kann sich in ihrer hypnotischen Struktur verlieren. „Iggy and Bowie were my boyfriends“ – mit dieser Beschreibung ihrer Kindheit in der langweiligen Vorstadthölle, die es auch in Finnland gibt, zeigt sie auf, wo ihre Wurzeln liegen. Ihre klare Meinung zur aktuellen Musiklandschaft: „It would be so cool if mainstream loosened up a bit. Make it a mainriver instead of mainstream! Then it would be wider!“ An Heidi Kilpeläinen liegt es nicht, wenn es dieser Landschaft an Originalität mangelt. Sie eröffnet ein farbenprächtiges Universum, in dem man fliegen, schwimmen oder aber sich dem Müßiggang widmen kann. Denn „Imaginature“ ist vor allem eins: Ein dreidimensionaler Genuss für alle Sinne. „I am an animalhuman sitting at my work station interweb dreaming, yearning, longing to be ‚in nature‘, hiking on a mountain, lying on the beach, sailing the seas, like an Iceberg.“

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