Jamie LidellJamie Lidell

Jamie Lidell geht es gut. Er führt ein Rock’n’Roll-Leben, kennt keine Langeweile und hängt mit bekannten DJs rum. Wenn er sich um Finanzen Gedanken machen muss, dann geht es wohl lediglich um den Preis des nächsten sündhaft teuren Synthesizers, der in seine Sammlung soll.

Der Engländer kommt um die Welt, bereist New York, das Hipstermekka Berlin und hat sich jetzt in Nashville ein Studio eingerichtet. Seine ADHS-Probleme hat er im Grunde auch in den Griff bekommen, denn sein neues Album „Jamie Lidell“ ist im Vergleich zu den Vorgängern doch ein wenig geschlossener geraten. Nicht nur weil keine Gastmusiker mehr wie auf „Compass“ verpflichtet worden sind, sondern auch weil es Lidell nicht mehr darum geht, jeden Song dramaturgisch zu zerreißen und zu zerstückeln.

Wobei die Macke, in jedes Lied eher zu viel als zu wenig einzubauen und Brüche zu generieren, natürlich immer noch spürbar ist. Alleine deshalb hat man es nicht mit einer absoluten Neuerfindung zu tun. Lidell präsentiert auf der LP – die er im Alleingang produziert hat – Soundcollagen, auf denen Mensch und Maschine musikalisch fusionieren. Das Resultat: verkopft, aber keineswegs sperrig. Elektronischer Unterbau, doch melodisch warm und trotz Soulstimme nie retro. Lidell ist mit seinen Mischpulten und Loopmaschinen eins geworden: „Big Love“ glänzt mit vielschichtig melodischen Synthies, praller Beatmachine und Lidells kräftiger Stimme. Unvermittelt denkt man vor allem an „Off The Wall“ von Michael Jackson. In gewisser Hinsicht aber auch an Prince oder die Discowerkstatt von Jamiroquai.

Auch die erste Single „You Naked“ überzeugt durch verspielt übereinandergeschichtete Kompositionstendenzen, die Funk und maschinelle Klänge verbinden. „You Know My Name“ macht mit seinen wirren Klangkonstrukten keine Ausnahme, das polyrhythmische „So Cold“ lässt sogar Raum für Synthiesolos. Auch wenn sich der „Soul Wizard“ wie in „Why Ya Why“ ab und zu recht weit aus dem Fenster lehnt, trifft er nahezu immer die richtigen Entscheidungen: In „Blaming Something“ etwa zügelt er seinen Groove-Tick an den richtigen Stellen oder bekommt mit „Don’t You Love Me“ sogar noch eine für seine Verhältnisse gar gediegene Midtemponummer inklusive „echtem“ Piano hin. Das alles kann man ohne Angst vor bösen Überraschungen genießen.

So wird „Jamie Lidell“ der versprochenen Einordnung zum „Future-Soul“ in vollen Zügen gerecht. Solch eine große Überraschung ist das aber auch gar nicht, bedenkt man erst einmal, dass Lidell bereits eine Smartphone-Software ausreichen kann, um einen ziemlich guten Popsong zu basteln. Was passiert, wenn dieser Nerd gleich ein ganzes Studio zur Verfügung hat, kann man dann auf diesem Album erfahren.

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