Nude BeachII

Eine der größten Vergnügungen des Haldern-Festivals 2009 für meine recht nichtssagende Gang bestand im aufmerksamen Beobachten unserer Zeltnachbarn, denn die sahen aus wie eine 70er-Jahre-Hardrockband. Mit allem Drum und Dran, modischem Schnickschnack wie Schnurrbärten und Stirnbändern, karierten Hemden und engen Jeans, gelangweiltem Blick zumeist, immer mit einem Whiskyglas in der Hand.

Sie schliefen seltsamerweise trotz aufgebauter Zelte in ihren Autos, aber dazu muss sie wohl die Coolness verleitet haben. Sie angelten sich selbstverständlich mit ihrer nonchalanten Rockerattitüde auch mal ein, zwei Frauen. Ich weiß gar nicht mehr, ob sie den Zeltplatz überhaupt einmal für Konzerte verlassen haben, wahrscheinlich sahen sie nur ein, zwei Bands, von denen sie ohnehin wussten, wie gut sie sind, den Rest … ach was! Die indifferente Masse soll sich ruhig an Neu- und Offenheit erfreuen, die wissen es eh nicht besser! Bzw.: Keine Ahnung, was so ein cooler Rockstar denkt. (Retrospektiv: Besuchten wir überhaupt Konzerte oder schauten wir nur dem Treiben zu? Nein, doch, doch.) Hallo sagte keiner von uns zu unseren 70er-Rocker-Nachbarn: Zu unwürdig und stillos erschienen wir, zu schön war das Klischee-Idyll, ein unbedachtes Wort hätte es zum Einsturz bringen können.

Apropos Klischee: Nude Beach veröffentlichen ein Album zum ersten Mal in größerem, mehr als selbst gebastelten Rahmen und es heißt „II“. Nude Beach heißen Chuck Betz, Ryan Naideau, and Jimmy Shelton und was sie in gut einer halben Stunde und zehn Songs packen, berstet eitel und nur ein bisschen elegant zwischen Bluesrock und Power-Pop/Rock, in etwa wie der gar nicht mal so schlechte Soundtrack eines Schlager-Revue-Musicals über Rock’n’Roll. Was für eine furchtbare Vorstellung! So schlecht sind Nude Beach auch nicht. So interessant, so aufregend, so gut, dass von zeitlosen Qualitäten (wenn das mal kein Code für Klischee ist!) und gutem Songwriting die Rede ist, sind sie aber auch nicht. Gut, die Arrangements der Songs lassen wir augenzwinkernd als fresh und forsch durchgehen, aber die Soundreferenzen dieser Art von Garagenrock, tun sie Not? Elvis Costello hat sein Œuvre hübsch gefüllt, bei Tom Petty reicht es eigentlich dicke aus, wenn Tom Petty Tom-Petty-Songs in die Welt setzt, und bei Bryan Adams sind wir in … ähm … ganz anderen Sphären. „Love Can’t Wait“ könnte auch „Summer Of ’69“ sein, sofern man es schlecht meint. Bei mehr Wohlwollen: Petty.

Sind das die Bezüge, die aufregende, neue Musik braucht? Oder, niedriger angesetzt: Die Rockmusik? Immerhin sind die Soli ja nicht schlecht, zielführend und nicht bar jeden Stils. Aber davon gibt es ja auch genug, bei jedem Song nämlich, genug Gelegenheit zum Üben für den Gitarristen also. Die Texte dagegen sind vom Schlage eines „I just need you, baby!“ (auch noch die zentrale Zeile des gedämpften Blues-Rockers „Walkin‘ Down The Street“!) – so ungefähr müssen The-Subways-Texte aussehen. „Some Kinda Love“ rockt so derbe, dass man Lou Reeds trockene Stimme wünscht, wie sie ihnen ins Ohr flüstert: „The Possibilities are endless.“ Derweil schwanken die Möglichkeiten zwischen Rockknallern aus den 70ern („Cathedral Echoes“, „Loser In The Game“, „Radio“) zu Bluesschunklern aus den 70ern („You Make It Easy“, geradezu triefend: „Don’t Have To Try“), in den besten Momenten in cool. So cool wie etwa, nicht so cooles nomen est nicht so cooles omen: „Keep It Cool“.

Also: Ein Klischee kann höchstens cool sein. Daran können sich Menschen auch erfreuen. Wer das ironisch macht, ist mir suspekt, wer das ernsthaft tut, mir unverständlich. So wenig wie ich meinen coolen 70er-Rocker-Nachbarn meine Bewunderung mitgeteilt habe, so wenig spricht mich das coole Klischee Nude Beach an. Nein, so viel 70er-Rock tut nicht Not.

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Label: Pias UK/Turnstyle

Referenzen: Tom Petty, The Black Keys, Led Zeppelin, The White Stripes, Spoon

Links: Homepage | Facebook | Albumstream

VÖ: 30.11.2012

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