Im jungsdominierten deutschsprachigen Indiepop gibt es grob gesagt zwei Typen. Zum Einen sind da die Schlauen, die es trotz aller Bemühungen bis heute nicht geschafft haben, sich aus dem Schatten dessen zu befreien, was man einmal Hamburger Schule nannte. Zum Anderen wären da die Befindlichen, die seit den Erfolgen des Grand Hotel Van Cleef (dem wir die ganze Misere jetzt nicht allein anheften wollen) bis in die Charts hinein immer stärker pathostriefende und oberflächliche Kopien ihrer selbst reproduzieren.

Bereits aus diesem Mangel an Alternativen müssten wir Stella Sommer, Rabea Erradi und Stefanie Hochmuth dankbar sein. Denn das, was sie unter dem seltsamen und wunderbar treffenden Namen Die Heiterkeit veranstalten, passt in keine der Schubladen, in denen es sich ihre männlichen Kollegen viel zu lange bequem gemacht haben. Die Heiterkeit erklären einem nicht die Welt, sind melancholisch ohne Seelenstriptease, spenden Trost und Wärme und bleiben trotzdem unnahbar. Die ironische Distanziertheit, mit der die von Sommer gesungenen Texte das Persönliche abhandeln, wirkt in Zeiten, in denen jeder so tun muss, als ginge es in der Musik mindestens auch um sein Leben, wie ein Befreiungsschlag. Die Lassie Singers konnten das vielleicht einmal und ein wenig auch die frühen Tocotronic, an die Sommers Gesangsstil tatsächlich manchmal erinnert.

Wenn es im Eröffnungsstück etwa heißt „Alles ist so neu und aufregend / Blumenpflücken am Kanal,“ klingt der Gesang so lethargisch, cool und abgeklärt, dass man trotzdem nie an der Ernsthaftigkeit dieser Worte zweifeln könnte. Eine Art Meta-Ironie, welche die Band auf ihrem Debütalbum „Herz Aus Gold“ zur Perfektion treibt. In dem schon durch die Split-EP mit Ja, Panik bekanntgewordenen „Für Den Nächstbesten Dandy“ blicken sie der kommenden Katastrophe mit offenem Visier und melancholischem Witz entgegen und tragen damit viel zur Ehrenrettung der Stilmittel Sarkasmus und Ironie bei. Die Heiterkeit beweisen, dass diese eben nichts mit Schnurrbärten oder geschmacklosen 80er-Jahre-Klamotten zu tun haben und auch nicht zwanghaft lustig gemeint sein müssen.

Die Musik dazu ist so unprätentiös und schnörkellos, wie man sie sich nur denken kann. Eine Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang, alles fügt sich ganz unaufgeregt und natürlich zum Ganzen. Selbst kleine Ausbrüche wie das Shoegaze-Intermezzo aus besagtem Eröffnungsstück stehen ganz im Dienste der Songs. Keine Spur von irritierenden Wendungen, Innovationen und muckermäßiger Dringlichkeit, all dem Zeug also, nach dem wir Kritiker so gerne suchen. Die Kunst dieser Gruppe ist es eben, nicht anders zu klingen, sondern besonders. Wer will, kann darin eine Parallele zu aktuellen amerikanischen Janglepop-Bands sehen, die ebenfalls die Schönheit im Alltäglichen suchen. Wer will, kann darin auch eine Rückbesinnung auf den Slackersound der 90er sehen, dessen schnoddrige Schluffi-Ästhetik umhüllen die Drei aber durch einen dunkel schimmernden Schleier aus unaufdringlicher Eleganz und ein wenig Glamour.

Das alles funktioniert auf Albumlänge vielleicht nicht immer so gut, wie man nach den ersten bekannt gewordenen Stücken zu hoffen wagte, was auch an der gewollten, gleichförmigen Schludrigkeit der Platte liegen mag. Die größte Anerkennung verdienen diese drei jungen Frauen aber, weil sie dem ganzen Geschrei da draußen, dem ewigen Auf und Ab, den guten und schlimmen Dingen auf die widersprüchlichste und einzig denkbare Art entgegentreten: Mit ein bisschen Dekadenz, voll Contenance und Empathie, unnahbar und mit offenen Armen. „Gefällt mir gut, ich bin bereit / I touch you with my Heiterkeit.“ Dieses Album trägt seinen Titel ganz zu Recht.

76

Label: Staatsakt

Referenzen: Christiane Rösinger, Tocotronic, The Velvet Underground & Nico, Hildegard Knef, Locas In Love

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VÖ: 24.08.2012

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