TanlinesMixed Emotions

Mit gemischten Gefühlen läse ich eine Einleitung zu „Mixed Emotions“, die über Gefühle und deren Reinheit bzw. Vermischtheit spekulieren würde. Was will da gemischt werden und würde uns ein emotionaler Cocktail zu gesünderen und besseren Menschen machen oder täte der Hammer hochprozentiger Reinheit edleres Werk? Alles Larifari, Spuk und Trug. Die Komplexität und Ambivalenz der eigenen Gefühlswelt macht niemanden heil, ist der äußeren Welt egal und mithin gar nur Euphemismus für banale innere Zerrissenheit.

Mit gemischten Gefühlen muss niemand etwas anfangen können. Mit „Mixed Emotions“, dem Debütalbum der Tanlines, dürfen dagegen so einige etwas anfangen können. 2008 formten sich die Tanlines aus Eric Emm und Jesse Cohen in New York und ernteten bereits einige Aufmerksamkeit in der weiten Blogwelt. Besonders mit „Real Life“ – über dessen Rattern und Knattern aus Rhythmus eine wahnwitzig spacige und blecherne 90er-Synthie-Wolke aufzieht, während über, na ja, innere Zerrissenheit gesungen wird – machte sich die Band einen Namen, der Erwartungen schürte für „Mixed Emotions“. Gemischt wird so einiges: Kalter New-Wave-Sound und quietschige Synthies mit pulsierenden Afro-Beats, ein bisschen rockig, recht elektronisch. Wie der ältere Bruder von Vampire Weekend, der gern zu The Cure in der Disco tanzt. Oder die Enkelin von Paul Simon, die New-World-Wave machen will (hierzu besonders zu beachten: „Yes Way“). Selbst Chillwave nennen das manche (siehe „Laughing“).

Mit gemischten Gefühlen hören wir dem zu. Die Elektrowellen von „Brothers“ rollen chillig an und formen einen cleveren Pop-Song mit einem Meer aus Gesangsschichten und geschickter Dynamik von den Synthies zu Gitarren. Cohens und Emms Stimmen sind tief, dunkel und umhallt. Sie singen in straighten Disco-Hits mit Handclaps, klarer Struktur und allem („All Of Me“), machen kraftvollem Indie-Rock, der besonders im Refrain ungemein eingängig und umschmeichelnd Fahrt aufnimmt wie in stotternden Rhythmuskaskaden über hallende Keyboardsounds („Abby“). Vieles ist eingängig und clever, aber „Mixed Emotions“ hat mehr Hall als dass es nachhallt. Über clevere Verweise wie die Gesangslinie „You know there’s an answer“ in „Lost Somewhere“ darf man sich aber schon freuen, gerade, wenn man just not made for these times ist und auch so. Die Direktheit von „Lost Somewhere“ und das Schwelgen von „Not The Same“ verorten Tanlines dagegen deutlich im Hier und Jetzt.

Mit gemischten Gefühlen liest sich das, aber das ist ja auch nichts Schlimmes. „Mixed Emotions“ ist ein Album zur Zeit, dessen Cleverness und Kühle es etwas schwer macht, sich gänzlich dafür zu erwärmen, das aber über eine schöne Menge an Indie-Pop-Hits verfügt, bei allen Querverweisen doch in sich geschlossen und geschickt aufgebaut ist. Dass „Mixed Emotions“ am Ende nur mixed emotions auslöst, liegt aber so nahe wie die Pointe. Immerhin sind es schöne, gemischte Gefühle.

68

Label: True Panther Sounds

Referenzen: The Tough Alliance, Delorean, Vampire Weekend, Cut Copy, Talk Talk, Talking Heads

Links: Homepage | Facebook | Soundcloud

VÖ: 23.03.2012

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum