Reib (VII): Der Tag danach oder: Alles schlecht

Der Affe trällert unaufhörlich in der linken Hosentasche vor sich hin, jetzt schon das dritte Mal bis zur Mailbox. Scheint echt wichtig zu sein. Boah, dieser Klingelton. So oder so ungünstiger Moment. Aber was soll’s. Reib geht genervt dran: „Ja, Ansgar?“

„Hey, wie geht’s?“

„Ach, alles Mist.“

„Was ist denn los?“

„Irgendwie geht es echt bergab, findest Du nicht? Das soll auch kein albernes Lamentieren sein. Wie heißt es noch bei Sven Regener: „Einer hält den Spaten, und zwei schauen ihm beim Halten zu.“ “

„Reib?“

„Nur hat der eine heutzutage eben nicht mal mehr den Spaten. Darauf muss sich der andere schließlich bequem abstützen. So weit ist es inzwischen gekommen, sag‘ ich Dir. Habe es vorhin mit eigenen Augen beobachten dürfen. Mitten in der City – damit es auch ja alle sehen.“

Die Ruhe und Bedachtheit, mit der ihm Ansgar in solchen Momenten entgegnet, trägt nicht auf direktem Wege dazu bei die Wut zu lindern.
„Reib, nur mal so: Wie ist das Date mit Jana gelaufen?“

„Was hat das denn jetzt damit zu tun?“ Die gereizte Stimme lässt sich auch am Telefon nicht verbergen, das ist doppelt ärgerlich, sich direkt so aus der Reserve locken zu lassen.

Ansgar spielt seinen Stiefel gekonnt runter: „Ach, nur so. Aber erzähl ruhig weiter.“

Dieser verdammte Jurist. Zieht wahrscheinlich gerade wieder in aller Seelenruhe an seinem Joint.
„Mann, mir geht es hier um wichtige, zentrale Themen in unserer Gesellschaft. Dieses Bild mit dem Spaten, das ist doch nichts anderes als die Schere, die immer breiter wird und Autos in Brand setzt. Und Du kommst mir jetzt mit irgend nem Date.“
Nun versucht gefasst: „Außerdem war es überhaupt keins.“

„Wie ist es denn gelaufen? Vielleicht erklärt sich dann ja einiges von selbst.“

Das Zischen der Glut – hält der verdammte Idiot den Hörer allein aus Provokation so dicht dran? Zuzutrauen wäre es ihm:
„Sehr witzig, Ansgar. Falls es Dich beruhigt, da ist gar nichts gelaufen.“

„Wie kommt’s?“

„Auch so ’n Punkt, der mich nervt. War eigentlich gut vorbereitet. Ok, zugegeben, mehr „eigentlich“. Und dann musste ich mir heute morgen auch noch verkatert von meinem Lehrstuhl-Mitarbeiter anhören, wie gut er es hat mit seiner Freundin.“

„So langsam nähern wir uns an.“

Er weicht einfach nicht ab von seiner Strategie, der Mistkerl:
„Jedenfalls macht er heute morgen seine Brotkiste auf. Noch vor meinem ersten Kaffee. Und fragt mich mit breitem Grinsen: „Rate mal, wer mir die heute Morgen gemacht hat?“

„Naja, vielleicht hat er ja das große Los gezogen. Oder …“

„Das große Los? Mensch, denk doch mal nach, Ansgar. Als wenn eine Beziehung so einseitig wäre. Im Prinzip läuft das doch immer gleich ab: Einer spült, der andere trocknet ab. Wobei meistens „die“ andere abtrocknet – schon allein wegen der drohenden Gefahr schrumpeliger Finger.“

„Sagst Du? Mit der großen Erfahrung von wie viel ernstzunehmenden Beziehungen noch mal genau?“

„Nein, worum es mir hier geht: Die Dinge, die er für sie macht, sei es Kloputzen, Flurwoche oder sonst was, die werden verschwiegen. Da lässt es sich natürlich schön prahlen, wie gut man es hat. Nur, dass einen die Frau da galant um den Finger wickelt, das wird besser verschwiegen. Oder gar nicht erst bemerkt.“

„Naja, im zweiten Fall kann es ihm ja egal sein.“

„Ach, Ansgar, so ein bisschen Aufbauhilfe, das täte jetzt gut. Oder zumindest Zustimmung, von mir aus auch vorgetäuscht, so lange ich es nicht merke. Stattdessen boykottierst Du hier meine Laune. Das geht nicht.

Kurze Zeit nichts. Dann: „So komische Geräusche bei Dir. Was machst Du eigentlich gerade, Reib?“

„Zwischenspülen.“

„Mittelpunkt der Welt“ von Element Of Crime ist am 30.09.2005 via Universal erschienen.

Ein Kommentar zu “Reib (VII): Der Tag danach oder: Alles schlecht”

  1. Fridi sagt:

    Einfach immer mal was fallen lassen… ;-)

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