Was sollte das denn? Als zweischneidiges Doppelalbum war es angekündigt worden, damals vor zwei Jahren, erst der nervöse „Bachelor“, dann der souveräne „Conqueror“, die sich einen feinen „Battle“ um die Wolf’sche Befindlichkeit liefern – und nun das? „Lupercalia“ ist vom Kampf mit den Gewalten weit weg, ganz unbewaffnet kommt Patrick Wolf jedoch auch nicht daher.

Die Wahl der Waffen fällt jedoch weniger auf harsches Kriegsgerät, Patrick Wolf sucht sich die stärkste Macht aller aus, um sich vom Getümmel zu erholen. „All You Need Is Love“ ist das innewohnende Mantra, das mit Schwung und Elan in die Welt getragen wird. Der Betrachter des Videos zu „The City“ weiß, wie das gemeint ist: Lebensfreude und –lust verpackt in vielschichtige, aber dennoch unsagbar eingängige Popsongs, die keine Angst vor Kitsch oder Kommerz haben.

Dass Wolf, der sich auf den vergangenen vier Alben von Metamorphose zu Metamorphose gehangelt hat, nun komplett der Leichtigkeit anhängt, kann aber doch getrost verneint werden. Sicherlich strotzten die drei vorab veröffentlichten Songs geradezu vor Vitalität und Feuer, allen voran das bereits erwähnte „The City“ mit seinen fluffigen Saxophonwölkchen oder „House“, das sich zu keiner Zeit entscheiden will, ob es ABBA oder eben doch Wolf sein möchte. Ein großer Teil des Albums möchte allerdings erst langsam aus dem Dickicht hervorzutreten, um sich dann aber umso entschlossener von der genießerischen Freude anstecken zu lassen. Allen gemein ist auf jeden Fall die bisweilen übersteigerte Herzenswärme, die anders als in den Vorgängerwerken nun auch plakativ nach außen getragen wird.

Wolf will auf „Lupercalia“ geliebt und getröstet werden und ist gleichermaßen Tröster und Liebender. Das epische, mit arabischem Flair versehene „Slow Motion“ oder das „Damaris“ vom letzten Album in nichts nachstehende „Armistice“ zeugen davon. Balladen, die trotz Nähe zu konventionellem Pop eben durch das gewisse Maß an Extravaganz nicht beliebig werden. Uptempo-Nummern, die das Thema „Disco-Fox“ durchaus aufgreifen („House“) oder so Bilder verliebt durch die Straßen laufender Menschen heraufbeschwören (Bermondsey Street). Wolf ist sich für keine List und Tücke zu schade, was dem Gesamtbild des Albums aber hervorragend zu Gesicht steht. „Lupercalia“ wechselt die Stimmungslagen nur behutsam, die Tempoveränderungen fallen gemäßigt aus, allein durch minimale Impulse, wie die sirrenden Streicher bei „Together“ oder ABBA’eske Klavierkaskaden, hebt und senkt sich das energetische Potential.

Nur so konnte und kann sich Patrick Wolf von seiner „Kriegsfessel“ befreien, die er sich mit dem herausragenden „Bachelor“ auferlegt hat. Leicht und heiter, voll von Liebe und einer Prise ehrlichem Kitsch.

73

Label: Mercury

Referenzen: Scott Matthew, ABBA, Final Fantasy, Marc Almond, Rufus Wainwright

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VÖ: 17.06.2011

3 Kommentare zu “Patrick Wolf – Lupercalia”

  1. Markus sagt:

    Ich persönlich find’s leider gesichtslos. Schon klar, dass er an das großartig durchtriebene „Wind In The Wires“ nicht mehr herankommt, aber sowohl „Bachelor“ als auch das neue Werk haben mir zu viel Zug zur Belanglosigkeit.

    Insgesamt natürlich dennoch ein guter Mann, aber mit deutlicher Tendenz nach unten.

  2. Mal abgesehen davon, dass „The Magic Position“ selbstverständlich sein bestes Album ist, versteh ich nicht wie du dieses als gesichtslos empfinden kannst. Bombastischer Pop, ja, freudestrahlend, ja, aber mit all seinen (genialen) Schnörkeln und den eleganten Arrangements doch wohl unverkennbar Patrick Wolf.

  3. Carl sagt:

    Ich hätte es nicht besser sagen können, Uli, nur das selbstverständlich „Wind In The Wires“ sein bestes Album ist ;-)

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