Zugegeben, die Nachricht über ein neues Album von 13 & God kam Anfang des Jahres schon ein wenig überraschend. Zu aufreibend klangen vor gut sechs Jahren die Versuche, das beste aus gitarrenbasierter, beim Pop angekommener Indietronica und abstraktem Elektrohop zu einem homogenen Ganzen zusammenzufügen. Am Ende stand dann ein zwar ziemlich tolles und im Nachhinein ein wenig unterschätztes Album, die riesigen Reibungsflächen und Potenziale dieser Kollaboration wurden auf dem Debüt aber höchstens im Ansatz genutzt.

Tatsächlich ist die Geschichte hinter „Own Your Ghost“ eine besondere und leider auch besonders tragische. Im Februar 2005 nach einem Konzert in Iowa verunglückt der Tourbus der Anticon-Band Subtle bei schwerem Glatteis, mit an Bord unter anderem Adam Drucker, Jeffrey Logan und Dax Pierson, zu dritt auch als Themselves, der einen Hälfte von 13 & God unterwegs. Pierson wird bei dem Unfall schwer verletzt, so schwer, dass er fortan querschnittsgelähmt durch’s Leben muss und ständiger Hilfe bedarf. An den Aufnahmen zum neuen Album war er vom Bett aus via Skype und improvisiertem Livestream beteiligt. Es scheint also wenig verwunderlich, dass der Grundton auf „Own Your Ghost“ kein fröhlicher ist. Die Themen hier, manifestiert in den düsteren, abstrakten Textwelten Adam Druckers aka Doseone, sind existenzielle, handeln von Leben und Tod, Krankheit und Vergänglichkeit und lassen am Ende doch so etwas wie Hoffnung durchschimmern.

Melancholisch wie eh und je begrüßt einen gleich zu Beginn Markus Achers unverkennbare Stimme, entschlackte Gitarrenakkorde sorgen für ein Gefühl der Vertrautheit, erst langsam setzen holprige Anticon-typische Beats ein, im Hintergrund erheben sich leise geloopte Sprachfetzen. Es ist ein zaghafter Einstieg, den der Opener „It’s Own Sun“ anbietet. Sanft gleitet man hinab in die morbide Parallelwelt voller abgründiger, aber dennoch wohliger Melancholie. Doch der erste Eindruck täuscht. „Own Your Ghost“ als Ganzes gleicht oftmals eher einem unberechenbaren Trip, auf dem sich Stimmungen und Soundbilder mehr als nur einmal pro Song ins Gegenteil verkehren. Mit diebischer Freude wird hier verzahnt, verdreht, verschachtelt, verrauscht und zerbröselt bis es kein Entkommen mehr gibt und bis am Ende kaum noch auffällt, dass sich alles zumeist aus den altbekannten Trademarksounds wie dem Notwist-Theremin, Knisterbeats und Doseones heiseren Fistelraps zusammensetzt.

Das Kunststück, „The best of both worlds“ miteinander zu verschmelzen, gelingt dabei besser als jemals zuvor. Gitarren und Holperbeats, Jazzbläser und Samples, Acher und Drucker existieren hier nicht mehr nur bloß nebeneinander her, sondern umkreisen sich in engem Abstand und erzeugen bei jeder Berührung  gleißende Funken. Das wird nirgendwo deutlicher als im dritten Song „Armored Scarves“, der sich langsam von der halbakustischen Ballade zum wilden Drunter und Drüber aus Pop, Rap und losen Drumbeats entwickelt. Ganz am Ende schälen sich die in aller Deutlichkeit wiederholten Worte „Make you not flesh / unprotected neck / at such an etch“ heraus, die vor dem Hintergrund der tragischen Vorgeschichte einen mehr als bitteren Beigeschmack bekommen.

Am allerstärksten ist „Own Your Ghost“ jedoch im Mittelteil, wo der Notwist-klassische Popsong „Oldage“ mal eben deren halbes letztes Album in den Schatten stellt und schließlich in den psychotischen Krautrock-Ritt „Et Tu“ überleitet. Abgeschlossen wird dieses großartige Tryptichon von „Death Minor“, auf dem Markus Acher und Adam Drucker über einem erhabenen Ensemble aus Jazzbläsern und zurückgenommenen Beats schweben. Wenn man so will, darf man „Own Your Ghost“ als Zeichen dafür ansehen, wie Schicksalschläge und schwierige Umstände Menschen zusammenschweißen können; denn ohne daraus jetzt irgendeine Notwendigkeit ableiten zu wollen, haben 13 & God vielleicht erst mit diesem Album zur endgültigen Einheit zusammengefunden. Und auch wenn Dax Pierson wahrscheinlich nie wieder mit dem Rest der Band auf Tour kommen wird, ist  im wahrsten Sinne des Wortes grenzüberschreitende Musik wie diese hier der vielleicht  größte Trost und die größte Hoffnung, die man als Musiker, als Musik liebender Mensch überhaupt finden kann.

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Label: Alien Transistor

Referenzen: The Notwist, Themselves, Subtle, Tied & Tickled Trio, Saroos, cLOUDDEAD, Radiohead

Links: MySpace | Alien Transistor | Anticon

VÖ: 13.05.2011

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