Wild BeastsSmother

Hits! Alle schreien sie immer nur nach Hits! Und davon will ich mich als Autor dieser Rezension auch gar nicht ausschließen, lieferten die Wild Beasts mit dem Album „Two Dancers“ doch eine nahezu perfekte Pop-Platte ab, auf der sich zwei äußerst gegensätzliche Gesangsstimmen – Hayden Thorpes exaltiertes Falsett und Tom Flemmings melancholischer Bariton – erotisierend umschmeichelten und im seltsam zwischen 80er-Jahre-Kühle und schwülstigem Barock dekorierten Ballsaal gemeinsam zum Tanz aufforderten. Eine Platte, als wäre Morrissey zusammen mit Antony Hegarty für den Soundtrack zu „Dirty Dancing“ verantwortlich gewesen, mit – na klar – Hits für Millionen.

Mit „Smother“ steht nun, knapp zwei Jahre später, der Nachfolger zu diesem kleinen Pop-Wunderwerk in den Startlöchern und es scheint, als hätte sich in dieser Zeit – zumindest bei der Band aus London – einiges getan. Gedämpfte Drumas, ein Xylophon und ein zaghaftes, aber glasklares Gitarrenmotiv eröffnen die erste Single „Albatross“, bevor sich Hayden Thorpes nahezu nur gehauchte Stimme um einen legt wie eine kühlende Brise. „Albatross, albatross / how callous the ocean, you cross? / I blame you, I blame you / for all of those things I’ve been through“, luftige Keyboardlinien führen einen durch die schönen aber flüchtigen Melodien. Kaum noch etwas erinnert an den griffigen, leicht verpielten und manchmal etwas operettenhaften Indiepop der Vorgängeralben. Dort, wo die Gitarre noch nicht ganz aus dem Soundbild verbannt wurde, wird sie als Rhythmusinstrument entfremdet und dezent in den Hintergrund gedrängt. Die Wild Beasts wirken auf „Smother“ erwachsener als je und gleichzeitig so experimentierfreudig wie nie zuvor. Da baut sich ein Lied wie „Plaything“ auch schon mal auf minimalistisch klöppelnden Beatmustern und elektronischen, flackernden Flächen auf oder verweilt wie „Burning“ ganz in atmosphärischer Improvisation. Wie für die Band typisch flirrt und schimmert auch dieses Album, jedoch auf gänzlich andere Weise als noch seine Vorgänger. Hayden Thorpe gibt zwar wieder die mit Geschlechterklischees spielende Diva, wirkt dabei aber irgendwie entrückt, geradezu niedergeschlagen, während Tom Flemming in seinen wehmütigen Reflexionen mittlerweile jeden Stimmähnlichkeitswettbewerb mit Elbows Guy Garvey locker gewinnen würde (auch wenn ihm dessen Hang zur ganz großen Geste dankenswerterweise abgeht).

Inhaltlich sind die Wild Beasts passend zur seltsam fließenden und düsteren Atmosphäre von „Smother“ nämlich bei den Schattenseiten des Lebens, beim Verlust und vertanen Chancen angelangt, auch wenn sich vieles in dandyesker Uneindeutigkeit natürlich immer noch um ihr Lieblingsthema, die Sexualität, dreht. Nicht so explizit queer wie bei den Parenthetical Girls oder Xiu Xiu wird hier in deren dunklen Ecken zwischen Machtfantasien und schmerzvoller Abhängigkeit gestöbert und dabei so manch Erschreckendes zu Tage befördert. „Oh what am I supposed to think? / Do I pull you out or do I let you sink?“ Dies geschieht bei den Wild Beasts, anders als bei oben genannten, allerdings ohne jemals wirklich Stellung zu beziehen. Aller Gebrochenheit zum Trotz scheint es also, als hätte die Band ihre Hausaufgaben in Oscar Wilde auch diesmal gründlich gemacht, denn an die Stelle dröger Authentizität tritt hier abermals das lustvolle Spiel mit dem Abgründigen und Verbotenen. Dieses kommt auf „Smother“ zwar wesentlich weniger überschwänglich und hitverdächtig verpackt daher als vielleicht erwartet, mündet dafür aber in einem umso faszinierenderen Gesamtwerk, welches seine umgarnenden Netze mit geradezu beängstigender Geduld und Präzision gespannt hat. Wenn man vor allzu großer Plattheit nicht zurückschreckt, würde man es wohl die „Wilde Bestie“ im Schafspelz nennen.

82

Label: Domino

Referenzen: Guillemots, Orange Juice, Morrissey, Antony & The Johnsons, Parenthetical Girls, Twin Shadow, David Bowie, Elbow

Links: Albumstream

| Homepage | MySpace

VÖ: 06.05.2011

3 Kommentare zu “Wild Beasts – Smother”

  1. Hör gerade rein. Sehr schön!

  2. […] großer Freude erwartete Haldern Pop Mitte August anreisen werden. Dort werden dann u.a. auch die Wild Beasts oder Hauschka auflaufen. Und die haben ja kaum minder überzeugt. Ganz zu schweigen natürlich von […]

  3. […] von Richard Formby unterstützen, der in jüngerer Vergangenheit schon das eine oder andere Mal (Wild Beasts, Darkstar) ein produktionstechnisch goldenes Händchen bewies. Dass diese Zusammenarbeit gefruchtet […]

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum