MatthewdavidOutmind

Der Duden ist eine praktische Sache. Zum Nachschlagen unersetzlich, wenn Word tatsächlich Tomatenketschup als korrekte Schreibweise vorschlägt und sich die eigenen Augen dabei in ungläubige rote Matsche verwandeln. Aber auch zum Formulieren von Plattenkritiken ist der Duden hilfreich wie ein Krückstock nach Fußbruch. Alles, was zu Matthewdavids Debüt zu sagen ist, steht summiert auf Seite 1093. Man braucht bloß abzuschreiben.

Zerfallen, zerfasern, zerfetzen, zerflattern, zerfleddern, zerfledern, zerfleischen, zerfließen, zerfransen, zerfressen, zerfurchten, zergehen, zergliedern, zergrübeln, zerhacken, zerhauen, zerkauen, zerkleinern, zerklüften, zerknallen, zerknäulen, zerknautschen, zerknittern, zerknüllen, zerkörnen, zerkratzen, zerkrümeln.

Matthewdavid ist Beatmacher und liebt experimentelle Musik. Mehr als Laptop und Mikrophon braucht er nicht, um mit allerhand Programmen Texturen aus dem Leben in L.A. zu destillieren und Beats, Synthesizer-Flächen und Details per Mutation erst aus dem Gleichgewicht zu bringen, um sie später wieder zusammenzukleben. Diese Schichtungen sind metallisch flüssig wie „Epic Swan“, mal so extrem innerlich zerrissen wie „Cucumber Lime“. Er bricht die Statik der Beats, krümmt sie scheinbar, zerdehnt sie als wäre es ein im Mund befindliches Kaugummi bis am Ende der Chose nur ein klumpiges, zerknautschtes Etwas übrig bleibt. Manchmal spielt er auch mit ihnen Waterboarding.

Ohne den Pioniergeist, den Matthew David McQueen den Tag legt, wäre dieses Album nicht zu denken. Es ist die pure Lust am Entdecken, Forschen und Treiben, die dieses akustische Mapping zu dem geschliffen hat, was es ist: Eine klangliche Kopfhörer-Reise in Mikrokosmen und entdeckenswertes Terrain. Weggeschmissene Kassetten, alte Vintage-R’n’B-Instrumentals und leiernde Vinyle sind seine Inspiration, die er um das Wissen der aktuellen Produktionen von Flying Lotus (auf dessen Label sein Debüt erscheint) und Konsorten ergänzt. Matthewdavid saugt seine Umgebung auf, dekonstruiert sie und spuckt sie in neuer Form wieder aus. Das hört sich komplex an und ganz sicher stimmt das auch.

Es perlt zwischen den psychedelisch übereinander gerankten Ideen und Klängen, es knistert, dröhnt und vergisst dabei permanent zu atmen: Die Dichte an Eindrücken, kruden Geräuschen und schwindsüchtigen Stimmverfremdungen, die hier als Ahnungen eingewoben werden, ist enorm und schafft es, nachhaltig zu überfordern. Man muss sich sehr bewusst auf diese Kopfhörer-Reise einlassen, wird dann aber reichhaltig belohnt: „Noche Y Dia – San Raphael“ ist mit seinen exotischen Tribalklängen ebenso wie das durchhängende „International“, das mit rückwärts geloopten Beats und Strand-Harmonien fast als kaputter Bruder des Chillwave durchgeht, ein einziges Highlight. „Being Without You“, dieser störrische Brocken erinnert entfernt an die Konstrukte eines Baths, aber auch wenn Matthewdavid ebenfalls der florierenden Los Angeles-Szene entstammt, „Outmind“ ist keineswegs so zugänglich und lieblich wie das letztjährige „Cerulean“; vieles ist im Fluss, anderes diffus, abgewandt und teilweise brutal wuchernd wie ein bösartiger Tumor.

71

Label: Brainfeeder

Referenzen: Teebs, Dibiase, Baths, Flying Lotus

Links: Homepage | Label | Interview

VÖ: 15.04.2011

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