Giardini di MiròIl Fuoco

Zugegeben, ich habe Giovanni Pastrones Stummfilmklassiker „Il Fuoco“ (deutsch: Das Feuer) nie gesehen. Sofern man sich auf die Google-Übersetzung der italienischen Wikipedia-Seite verlassen kann, geht es in diesem um die Beziehung zwischen einem Maler und einer erfolgreichen Dichterin, vielleicht aber auch um etwas völlig anderes. Vertraut man Giardini di Mirò, der nicht nur besten italienischen Postrockband für Leute, die eigentlich gar nicht so gerne Postrock mögen, so muss es sich es sich bei „Il Fuoco“ um eine zutiefst bedrückende Tragödie handeln. Das jedenfalls legt ihre nun nach einer ganzen Weile auch bei uns erschienene Albumversion des im Auftrag des Turiner Filmmuseums neu eingespielten Soundtracks „Il Fuoco“ nahe.

Gänzlich instrumental gehalten spielt diese ein ganzes Stück weit abseits der regulären Albumveröffentlichungen der Band, auf denen sie sich mehr und mehr vom reinen Postrock emanzipierten und über die Trampelpfade frickeliger Electronica irgendwann beim Pop angelangten.

Mit Pop im herkömmlichen Sinne hat „Il Fuoco“  eher wenig zu tun, was schon bei der Formatierung der Stücke anfängt, die sich an den drei Akten des Films, „La Favilla“, La Vampa“ und „La Cenere“, orientiert. Jeder Akt ist dabei abermals in mehrere Einzelteile gegliedert, die erst zusammen ein großes Ganzes ergeben. So beginnt beispielsweise der epische Siebenteiler „La Favilla“ nach einminütig fiepsendem Intro mit einem genretypisch langsam an- und abschwellenden Gitarrenmotiv, das unterstützt von seinen elegischen Begleitern, wie einer einsam klagenden Geige, die obligatorisch tristen Winterlandschaften hervorbeschwört, die erst im finalen siebten Teil zu einem teils majestätischen, teils bedrohlichen Alpenszenario heranwachsen. Akt Nummer Zwei, „La Vampa“, gibt sich experimenteller und zelebriert in seiner Dreifaltigkeit teilweise etwas angestrengt wirkende Kunstmusik, die von ambienten Geräuschkulissen in „La Vampa X“ über krautig angehauchten Rock in „La Vampa XX“ bis zur abschließenden Kakophonie in „La Vampa XXX“ reicht. Ein interessanter Ansatz, der aber um als Einzelstück zu funktionieren ein wenig die nötige Stringenz vermissen lässt. Ebenfalls recht unschlüssig und als harter, von moderner E-Musik inspirierter Brocken präsentiert sich auch der letzte Akt, „La Cenere“, der einen immer wieder in vorsichtig durch die hallige Geräuschkulisse hindurchschimmernde Melodiefetzen eingarnt, nur um diese im nächstmöglichen Moment wieder zu zerreißen. Einen kohärenten Spannungsbogen jedenfalls baut man anders.

Auch wenn „Il Fuoco“ als Filmvertonung ganz wunderbar funktionieren mag, hinterlässt es auf den Durchschnittshörer einen deutlich zwiegespaltenen Eindruck. Wo „La Favilla“ noch klassisch pathetischen Postrock liefert, der eher wie eine  Nachwehe des insgesamt doch recht ausgelaugten Genres wirkt, betreten Giardini di Mirò in den zwei weiteren  Albumdritteln ungewohntes Neuland. Dort wird einem zwar recht eindrucksvoll die bandeigene düstere und klaustrophobische Auslegung der Filmgrundlage vermittelt, für den unbedarften Genuss allein zu Hause fehlen einem aber dann doch die wahrscheinlich auch gar nicht beabsichtigten griffigen Momente. Denn letztendlich haften bleibt von diesem Album abseits trister Atmosphäre nur ein gewaltiges Fragezeichen. Sehr wahrscheinlich wird einem die bald anstehende und von AUFTOUREN präsentierte Tour der wirklich exzellenten Liveband  größeren Aufschluss über das Gesamtwerk „Il Fuoco“ bieten können. Der Tonträger allein funktioniert bis dahin vor allem als ein großes, schier unüberwindbar wirkendes Enigma.

Label: Unhip / City Centre Offices / Indigo

Referenzen: Godspeed You! Black Emperor, Mono, Explosions In The Sky, This Will Destroy You, Crippled Black Phoenix, Mogwai, Bohren & der Club of Gore

Links: Homepage, MySpace

VÖ: 15.10.2010

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