Das Album als kauzige Type: Saroos im Interview

Mit „See You Not“ erscheint Anfang November das neue Saroos-Album. Ein krautiges, wucherndes Werk, das vor allem von seinem unruhigen Groove lebt. Störfaktoren und kauzige Details werden dabei wie selbstverständlich eingeflochten und können und wollen  die warme, analoge und organische Wirkungsweise nicht brechen. Florian Zimmer und Max Punktezahl im AUFTOUREN-E-Mail-Interview.

Ich hab die Tage mal wieder „Stefanie sagt“ der tollen Band Locas In Love gehört. Die haben mit Saroos überhaupt nichts musikalisch zu tun. Jedoch, heißt es dort: „Stefanie sagt, sie hat keine Angst vorm Sterben, wenn etwas von ihr bleibt“.  Wer sollte was von dir in Erinnerung behalten? Gehört die Musik dazu?

Flo: Habe ich mir bis dato keine Gedanken gemacht.

Max: Was den Tod angeht, bin ich ein klassischer Verdränger-Typ, kann mit dem Thema nicht wirklich umgehen bislang und würde erstmal behaupten, was von mir bleibt, sei mir egal. Wenn‘s dann mal ernst wird, könnte es sehr wahrscheinlich sein, dass sich meine Meinung komplett ändert, aber ob’s dann die Musik ist…

Inwiefern ist „See You Not“ denn dann bemüht, andere Künstler und ihr Schaffen weiter zu transportieren? Gibt es da diesen Hommagegedanken? Klangmäßig gibt es ja viele Parallelen zu allem und jedem…

Flo: Da gibt es keine Mission. Auch keinerlei Hommagegedanken, es handelt sich ja nicht um ein Konzeptalbum. Ich habe mir in der Zeit, als wir die Platte aufgenommen haben viel Musik angehört wie z.b. von Künstler/innen wie Delia Derbyshire, Daphne Ophram oder John Baker. Oder Filmmusiken wie z.b. Louis and Bebe Barron: „Forbidden Planet“ oder “Valerie and her week of wonders“, der von Luboš Fišer komponiert wurde. Das hatte eventuell auch einen  Einfluss auf den Sound und die Stimmung der Platte – mehr aber auch nicht. Falls  jemand beim Hören unserer Platte neugierig wird und anfangen würde, sich für diese Musik zu interessiert, dann wäre das natürlich schön.

Wie wichtig ist euch das „In Beziehung setzen“? Ist das ein Automatismus oder bewusste Entscheidung? Ihr könntet ja auch versuchen, was völlig Neues entstehen zu lassen – gerade im elektronischen Bereich ist ja viel möglich.

Flo: In Bezug auf die neue Platte gab es für mich schon viel Neues. Dadurch dass Max nun vollständiges Mitglied ist und nicht mehr „nur“ Tourmusiker, hat sich schon vieles am Songwriting geändert. Etwas ganz Besonderes war für uns, dass Odd Nosdam uns hier im Studio besucht hat und wir zehn Tage zusammen aufgenommen haben. Im Gegenzug waren wir auch zehn Tage in seinem Studio in San Francisco und haben aufgenommen und gemischt. Ohne ihn würde das Album nicht so – für uns – besonders klingen. Durch den Aufnahmeprozess wurde der persönliche Anspruch für zukünftige Alben auch wieder auf ein anderes Level gehoben.

Ich bin gespannt und freue mich, dass in diesem elektronischen Umfeld auch noch Ü30 was geht. Im Grunde lässt die Musikgeschichte ja die Schlussfolgerung los, dass spätestens ab Mitte 30 der Phantasiezenit bei fast allen Musikern überschritten ist. Wenn es gut geht, dann ist „solide“ noch das Positivste, was man über die Platten sagen kann.

Max: Ich möchte das gar nicht bezweifeln, aber das sind ganz bestimmt Durchschnittswerte. Das heißt noch lange nicht, dass es auf jeden so zutrifft. Ich kenne ja doch einige Beispiele, wo Leute weit jenseits dieser Altersgrenze Sachen gemacht haben, die zumindest nicht mit „solide“ zu beschreiben sind. Man darf auch nicht die ganzen Bereiche von Kunst vergessen, die nicht so viel mit Popmusik zu tun haben, oder Literatur.

..ist aber eben auch neurowissenschaftlich bewiesen: Die gedankliche Flexibilität im Alter lässt nach, ebenso verfestigen sich (auch durch Konventionen) Denkmuster. Vielleicht müsste man bereits im Kindes/Jugendalter ganz anders, offener und spielerischer lernen, musizieren, künstlerisch tätig sein…

Max: Man sollte die Verblödung oder verfestigte Denkmuster auch nicht immer nur dem Alter anlasten. Ich finde, „Rockband“ ist heutzutage so ein Modus, der Leute ungemein schnell abstumpfen lassen kann…

Mit der Erfahrung steigt natürlich auch immer das Wissen um Zusammenhänge. International berufen sich seit ein paar Jahren immer wieder viele Künstler gerade auf die Krautrock-Ära der deutschen Musik (von Battles über !!!  bis PVT), in Deutschland eigentlich kaum mehr: Wie kommt deiner Meinung nach diese Differenz in der Wahrnehmung zustande?

Flo: Meinst du? Wenn man sich aktuell Bands wie Kreidler  oder Von Spar anhört, dann ist doch einiges an Kraut im Spiel. Grönemeyer bringt auf seinem Grönland Label gerade auch eine opulente NEU!-Box raus…

Stimmt, aber das sind doch Einzelphänomene. Braucht man eurer Meinung nach eigentlich ein gewisses Alter, eine gewisse Kenntnis um die (deutsche) Musikgeschichte oder technisches Know-How, um „See You Not“ zu verstehen?

Max: Ich hoffe nicht, ich denke, es klingt erstmal toll und hat einen Groove. Dann gibt es auch hier und da ganz gute Melodien und mehr muss man da auch erstmal nicht verstehen. Man kann sogar ein bisschen dazu tanzen, denke ich. Die ganzen interessanten Sachen wollten wir eigentlich so einsetzen, dass sie nicht gegen den Hörer wirken, sondern ihn eher beim zweiten, dritten Hören mehr reinziehen … klar gibt es viele, deren Aufmerksamkeitsspanne auch für so einen Sound nicht unbedingt ausreicht, was auch OK ist.

Auch, wenn es sicherlich nicht Grundgerüst euer Klänge ist: Du sprichst die „Musique concrète“ an, also die Abstraktion von Alltagsgeräuschen: Wie kann man sich dieses akustische Mapping und das anschließende Verfremden bei euch vorstellen?

Flo: Es gibt einen stetig wachsenden und chaotischen Fundus an Samples und Field Recordings. Falls sich da vom Klang her was Passendes findet, dann wird da gar nicht so viel verfremdet. Dass die Geräusche in einem anderen Kontext auftauchen macht sie oft ja eigenartig, interessant oder fremdartig wie z.B. das Vogelgeschrei bei „Daylight Chant“, das als solches gar nicht wahrgenommen wird.

Eure Platte klingt warm und ziemlich organisch. Man könnte sagen, sie lebt. Wenn sie ein Mensch wäre, welche Eigenschaften hätte derjenige? Ich find ja, das wäre ein brummiger Soziopath, so ein mächtiger, aber agiler und lebensfroher Opa im Schrebergarten, dem es eigentlich gut geht, aber der immer ein bisschen seinen Senf dazu geben muss und rumstänkert..

Flo: Kauzige Type trifft es eventuell etwas besser. Finde nämlich nicht, dass die Platte klingt, wie jemand der über den Zaun hinweg ungefragt anderen sagt, wo und wie es langgehen soll.

Ich finde eure Platte an keiner Stelle wirklich entspannt. Irgendwas brummt und stampft immer, manchmal macht sich eine Unzufriedenheit breit. Ausdruck innerer Unruhe, Zufall oder ein bisschen auch Abbild unserer Zeit?

Flo: Mir geht es ja eher so, dass ich in dem Sound baden könnte.

So unterschiedlich sind die Empfindungen! Bei Instrumentalalben spielen Motive und Atmosphären eine Rolle. Die Aktivität/Autorität des Hörers spielt da eine große Rolle. Magst du ein paar von euren Geschichten erzählen, die zu diesen Songs geführt haben?

Flo: Da gibt es per se keine Geschichten die Auslöser für einen Song waren. Am Anfang steht zumeist einfach ein Loop oder ein Beat.

Saroos – Yukoma

„Yukoma“ ist wie eine Maschine, die erstmal angeschaltet werden muss, sich dann warmläuft und hinterher selbstständig wegfliegt. Einer der wenigen Vocaltracks. Ist das eine konzeptionelle Enscheidung, das eigenständig Menschliche so weit wie möglich zurückzuhalten?

Flo: Wir hätten gerne Gesang gehabt, aber keiner von uns kann singen … Als Gastsänger wäre jemand wie Trish Keenan von Broadcast ein Traum, aber das ist halt leider nur ein Traum. Dennoch haben wir in alle Stücke Vocals eingebaut, via Samples. Manchmal weit vorne wie bei „Yukoma“ und dann wieder mehr als Geräusch oder Klangfetzen im Hintergrund. Diese Samples  kamen in der Hauptsache von Odd Nosdam. Er war quasi der Stimm-Selektor, kam mit einer Sammlung Platten an und hat entsprechend gesampelt, verfremdet und dazugespielt.

Warum schreibt ihr keine Texte zur Musik? Angst vor dem Konkreten? Dem Festgelegt-werden? Der eigenen Position und der Auseinandersetzung darüber?

Max: ich für meinen Teil habe immer Probleme mit Texteschreiben gehabt, auch ohne den Zusammenhang mit Musik (Deutschunterricht: Aufsatz schreiben etc.); weiß nicht warum eigentlich. Entsprechend würde ich sagen, eher Angst vor dem Plakativen. Etwas Konkretes ist für mich eher sowas wie ein belegter wissenschaftlicher Fakt. Sowas finde ich gut, hat aber nichts mit Songtexten zu tun. Ich habe tatsächlich keine Lust, nur weil ich gerne Musik mache, mehr als andere auf etwas, z.B. eine politische Meinung festgelegt zu werden. Kunst ist zumindest nicht gerade die effektivste Art, Haltung zu zeigen. Für mich fühlt sich Musik ohne Text jedenfalls an wie das Natürlichste was es gibt. Menschlicher Gesang bringt schon irgendwie mehr Aufmerksamkeit und spricht einfach direkter an, aber Texte haben für mich auch oft einen profanisierenden Effekt auf Musikstücke. Jedenfalls gibt es sehr viel geniale Musik mit zumindest nicht so genialen Lyrics. Der umgekehrte Fall ist nicht ganz so häufig. Das war jetzt die Theorie, wir denken aber in Wirklichkeit darüber nach, mehr mit Gesang zu versuchen.

„See Me Not“ negiert ja eigentlich die Gemeinschaft (auch wenn der Titel metaphorisch gemeint ist). Das Alleinesein, die intime Begegnung mit der Platte – eine wichtige Vorraussetzung?

Flo: Der Titel  negiert gar nichts. Ist ein bisschen eine Hommage an die Sci-fi-Literatur, aber in erster Linie haben wir ihn gewählt weil er toll klingt; ein bisschen mysteriös im Sinne: Was meinen die nur? Du siehst mich nicht? Kannst du mich nicht sehen? Oder gar abwehrend … Das Album via Kopfhörer anzuhören macht natürlich was her, ist aber kein Muss.

Eine Freundin war gerade da und dein neues Album lief bestimmt schon eine halbe Stunde. Irgendwann bat sie, mal „was anzumachen, wo auch mal was passiert“. Was soll ich tun?

Max: Ich glaube, ihr gefällt der Sound nicht, ich würde es einfach mal mit etwas anderem versuchen.

„See Me Not“ erscheint am 12. November via Alien Transistor.

Links: Facebook, Myspace, „Yukoma“-Gratisdownload

Ein Kommentar zu “Das Album als kauzige Type: Saroos im Interview”

  1. Terry Bell sagt:

    eure site ist gar nicht so dumm.

    bestes

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